THINK & DO

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Transkript

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Michael Sonnabend: Hallo und herzlich willkommen. Hier ist wieder Think & Do, das Podcast-Magazin des Stifterverbandes. Am Mikrofon, wie immer, Michael Sonnabend. Allerdings bin ich heute nicht ganz alleine am Mikro. Bin ich ja sonst auch nicht, aber heute habe ich sozusagen eine Co-Moderatorin mitgebracht, nämlich Simone Höfer. Hallo Simone.

Simone Höfer: Hallo. Schön, dass ich dabei bin.

Michael Sonnabend: Du bist Kommunikationsmanagerin beim Stifterverband. Was heißt das genau?

Simone Höfer: Ja, ich habe vor allen Dingen ein großes Arbeitsfeld, und zwar Corporate Publishing. Noch ein wenig alt, nicht digital, eben unseren Jahresbericht, alles, was noch so gedruckt beim Stifterverband auf den Tischen landet, geht über meinen Tisch. Aber auch unser Onlinemagazin Merton, da kümmere ich mich um Redaktion, um alle Abläufe, von der Texterstellung, Bildproduktion bis zur Veröffentlichung oder zum Druck.

Michael Sonnabend: Und heute erstmals im Podcast.

Simone Höfer: Im Podcast.

Michael Sonnabend: Ja wunderbar. Ich freue mich, dass du da bist. Wir beide haben heute zwei Gäste, nämlich Anne Lützelberger und Kolja Brandstedt. Hallo erst mal.

Anne Lützelberger: Hallo.

Kolja Brandtstedt: Hallo.

Michael Sonnabend: Vielleicht mögt ihr, bevor wir ins Thema einsteigen, euch kurz mal den Hörerinnen und Hörern vorstellen?

Anne Lützelberger: Ja, sehr gerne. Ich fange mal an, Kolja, wenn das o.k. ist lacht? Anne Lützelberger ist mein Name.

Michael Sonnabend: Ja. Ich sage immer Lützelsberger.

Anne Lützelberger: Das sagen sehr viele. Das ist auch o.k., aber ich sage es einmal richtig.

Michael Sonnabend: Aber ich habe es mir heute Morgen fest vorgenommen, weil ich nämlich gemerkt habe, dass ich Lützelberger sage.

Anne Lützelberger: Ist nicht schlimm. Also Lützelberger, ein weitverbreiteter Name in Süddeutschland. Ich bin Programmmanagerin beim Stifterverband seit September 2018 und eben zuständig für das Programm „Schule in der digitalen Welt“, was seit Mai läuft und jetzt eben am Ende des ersten Jahres sich befindet und dazu wollen wir ja heute auch sprechen. Von Hause aus bin ich Lehrerin. Das ist vielleicht ganz interessant, zum einen für die Thematik, zum anderen auch ein Beispiel für die breite Kompetenz der Köpfe im Stifterverband, wer da alles so beim Stifterverband landen kann. Es sind auch Lehrerinnen und Lehrer dabei.

Michael Sonnabend: Ja, vielen Dank. Kolja.

Kolja Brandtstedt: Ja, Kolja Brandtstedt ist mein Name. Ich bin stellvertretender Projektleiter in der Pacemaker Initiative. Die Pacemaker Initiative gibt es auch seit Mai letzten Jahres. Also wir sind auch noch ein relativ junges Programm. Und zwar ein Kooperationsprojekt von EDUCATION Y und Teach First Deutschland. Das ist sozusagen mein Hintergrund. Ich habe zwei Jahre im Bildungsbereich … war ich tätig als Fellow von Teach First Deutschland und habe dann den Übergang geschafft, zur Pacemaker Initiative. Wir begleiten Schulen in der digitalen Transformation, sowohl die Lehrkräfte, Workshops für Schülerinnen und Schüler, Schulentwicklungsgespräche und das Vernetzen von Schulen, worauf wir sicherlich noch kommen werden, im Laufe des Gesprächs. Aber von Haus aus bin ich Politikwissenschaftler. Politikwissenschaften studiert, internationale Beziehungen und Entwicklungspolitik und habe dann über Teach First Deutschland den Einstieg, Quereinstieg sozusagen in den Bildungsbereich geschafft.

Michael Sonnabend: Ja super, vielen Dank. Ich denke, auf die Pacemaker Initiative gehen wir später noch mal ein bisschen ein und auch auf die Frage, was das jetzt mit dem Stifterverband zu tun hat. Ja. Um vielleicht mal einen Einstieg in das Thema zu finden: Der Stifterverband hat jetzt Anfang des Monats so eine kleine Forsa-Umfrage in Auftrag gegeben, anlässlich des Tages der Bildung. Und da haben wir tausend Personen gefragt, vorwiegend ganz junge Leute, also zwischen 14 und 21 waren die, und haben die mal so ein bisschen gefragt, was die so zum Bildungssystem sagen, wie die das einschätzen, wie die Schulen einschätzen, wie die Lehrer einschätzen. Und da gibt es ein ganz interessantes Ergebnis. Von den Befragten haben nämlich zwei Drittel gesagt, ihre Lehrer seien, ich zitiere: „nicht so gut“ oder noch mal Zitat: „schlecht mit digitalen Lernmethoden vertraut“. Und gleichzeitig klagte mehr als die Hälfte über schlechte technische Lernmitteln in ihrer Schule. Das ist ja jetzt eigentlich ein Befund, der nicht unbedingt neu ist. Also zumindest mich hat es jetzt nicht überrascht. Aber trotzdem, wenn man es dann noch mal so schwarz auf weiß kriegt und so ganz aktuell, denkt man sich ja: Ist das jetzt wirklich so die Realität? Wie schätzt ihr das … Was macht ihr für Erfahrungen in eurem, ja, täglichen Erleben in Schulen? Ihr seid ja viel unterwegs. Ist das was, was ihr bestätigen könnt, oder?

Kolja Brandtstedt: Also wir arbeiten mit Schulen in fünf Bundesländern aktuell zusammen und da ist es definitiv so, dass die Ausstattung immer genannt wird. Ich glaube, da müssen wir aber mit den Lehrkräften auch über die Beantragung des Digitalpakts usw. reden. Also das wird zukünftig kommen. Ich glaube, die größte Herausforderung ist gerade wirklich in der Weiterbildung und Fortbildung und auch Ausbildung von den zukünftigen Lehrkräften, aber natürlich auch von den bestehenden personalen Ressourcen in den Schulen. Das ist eine große Herausforderung, die die Länder gerade angehen. Also wir sprechen auch mit vielen Landesvertretungen und da passiert viel. Das muss gut abgemischt sein, mit den technischen Möglichkeiten, die jetzt den Schulen zur Verfügung gestellt werden, mit WLAN, müssen sozusagen parallel auch die Prozesse von den Ländern angestoßen werden, dass sie die Lehrkräfte fortbilden. Und da sehen wir ein großes Potenzial, auch als gemeinnützige Organisation, den Schulen da eine Hilfestellung zu geben, sie auch vor Ort, in den Schulen, zu unterstützen, weil wir sehen, dass Technik sozusagen von Hause aus, von den Schülern in die Schulen gebracht wird, aber die Nutzung aktuell noch nicht den Stellenwert erfährt, der eigentlich heutzutage schon in der Bildung sozusagen, ja, den er schon haben sollte.

Anne Lützelberger: Ich kann da vielleicht noch ergänzen, dass … Ich finde ja, wenn die Schülerinnen und Schüler das zu 70 % oder – die Zahl hattest du gesagt – so einschätzen, dass Lehrkräfte eben da noch nicht genügend Kompetenzen ausgebildet haben, das ist erst mal erschreckend. Gleichzeitig zeigt es aber eben den Prozess, zeigt es auch die Veränderung und die Entwicklung. Es zeigt eben, dass die Lehrkräfte nicht ausgebildet wurden, mit diesen Kompetenzen. Und die Lehrkräfte sind sich dem bewusst. Also in den 120 Anträgen, die wir gekriegt haben, für das Programm, sollten die Schulen und dementsprechend die Lehrkräfte schon auch so skizzieren: Wo stehen wir eigentlich gerade? Und da gibt es ein großes Bewusstsein dafür, dass es so ist. Also die Realität ist quasi erkannt und die Forderung nach Fortbildung und Weiterentwicklung ist da. Also dementsprechend auch die Bereitschaft. Sodass diese Zahl zum einen erschreckend ist, aber zum anderen eben auch zeigt: Es ist allen klar und wir wollen da auch nicht stehen bleiben. Also ich glaube, SchülerInnen, Eltern, Lehrer, alle wollen, dass diese Zahl möglichst dann kleiner wird.

Kolja Brandtstedt: Sollte idealerweise natürlich in einen Schulentwicklungsprozess eingebettet sein. Das heißt, es kann nicht sein, dass wir mit einer Fortbildung mal in eine Schule gehen und dann war es das, damit haben wir das abgehakt, Häkchen hinter gesetzt. Und: Wir haben jetzt einmal 20 Lehrkräfte in der Schule fortgebildet, jetzt muss die Schule selber gucken, wie sie damit umgeht. Sondern es muss, glaube ich, wirklich strukturelle Fortbildungsangebote von den Ländern und von den Kommunen geben, es muss extern auch ermöglicht werden, sozusagen Lehrkräfte vor Ort in den Schulen fortzubilden, damit es eine Kontinuität gibt. Und die Schulen nach zwei, drei Jahren sagen: O.k. Wir haben die Technik vor Ort, wir sind fortgebildet, bis zu einem gewissen Grad und jetzt gehen wir den eingeschlagenen Weg eigenständig und da können zum Beispiel auch Schülerinnen und Schüler mithelfen. Das heißt, eine Fortbildung kann auch von Schülerinnen und Schülern organisiert werden. Es können kleine Videos zu bestimmten Apps oder Programmen erstellt werden. Natürlich ist die pädagogisch-didaktische Arbeit – das ist nicht Aufgabe der Schülerinnen und Schüler, die Lehrkräfte dort fortzubilden. Das ist dann wieder Aufgabe der Landesinstitute und der Kultusministerien. Und da genug personelle Ressourcen, finanzielle Ressourcen bereitzustellen und auch zeitgemäße Fortbildungsformate. Weil es kann nicht sein, dass wir frontal eine Fortbildung geben, Lehrkräften, Einführung in die neue Technik, in neue Lehrformate, Lernen, wie schaut das aus? Und dann sitzen da 20 Lehrkräfte in einem Raum und der Fortbilder steht vorne und zeigt den Lehrkräften das. So darf es hinterher nicht in der Schule aussehen und so dürfen wir auch Fortbildungen nicht mehr denken.

Simone Höfer: Aber was heißt denn ja immer … Ihr redet immer von Fortbildungen. Das Thema ist jetzt ja auch nicht neu. Ist denn das in der Ausbildung irgendwie angekommen? Weil ich habe ein bisschen den Eindruck, da fehlt das immer noch. Und da sind ja doch auch viele junge Lehrkräfte, die nachwachsen, die ja auch selber digital affin sein sollten. Und ehrlich gesagt, ist das Thema ja nicht erst im letzten Jahr aufgekommen, sondern es existiert ja jetzt schon ein paar Jahre. Fehlt da auch an den Hochschulen noch entsprechender Ausbildungsbedarf?

Anne Lützelberger: Ja. Also das ist deckungsgleich. Auch da ist ja eben ein Prozess, der zwar schon lange läuft, gleichzeitig aber eben so komplex ist und auf so vielen Ebenen, in den Curricula, in der Haltung der Lernenden und Lehrenden usw. so viel getan werden muss, dass es eben an manchen Stellen … Wenn da coole Köpfe sitzen, geht es schnell voran, an anderen Stellen dann eher weniger. Und es gibt ja diese berühmte Studie von der Telekom-Stiftung. Ich meine, die ist von 2015 oder 2016, wo ganz klar rauskam, dass die Studierenden des Lehramts die Studierendengruppe sind, die am geringsten digitalaffin sind. Jetzt kenne ich die Zahlen nicht von vielleicht 2018 oder diesem Jahr, aber gefühlt ist da sicherlich nicht ein großer Sprung passiert. Das heißt, eben gerade junge Leute, die sich für ein Studium Lehramt entscheiden, sind in der Regel nicht die, die digitalaffin sind. Weniger eben noch als andere Studiengänge. Weniger sogar auch als Studiengänge, denen man das jetzt vielleicht auch nicht so zutrauen würde, wie Altertumswissenschaften oder Archäologie oder vielleicht andere kleinere Fächer in den Geisteswissenschaften, wo doch durchaus da mehr Affinität erst mal zugeschrieben wird oder in der Selbstbeschreibung genannt wird. Und dementsprechend ist es sicherlich dann auch bei den Dozierenden so und in den Lehrstühlen. Aber es gibt – da haben wir auch im Programm Beispiele dafür – Leute in den Zentren für Lehrerbildung, auch in den Fachdidaktiken, die da sehr, sehr gut voranschreiten und die super Konzepte haben. Und das miteinander zu verzahnen und zu verschränken, und nach sieben Jahren Lehramtsstudium dann die Leute in die Schule zu bringen, ist natürlich eben auch ein Zeithorizont.

Kolja Brandtstedt: Ist auch ein …

Simone Höfer: Ich kannte das nicht, mich überrascht das ein bisschen. Weil man arbeitet nun mal mit Kindern und man muss ja auch an deren Lebenswirklichkeit anknüpfen. Und dann wundert mich das immer, dass das die am wenigsten affinsten Menschen sind, in Digitalisierung. Aber gut, interessant.

Michael Sonnabend: Ja vor allem, ich frage mich auch immer, ich meine: Was heißt das denn eigentlich, digitalaffin? Also ich meine, das ist ja Teil meiner Ausbildung, ob ich nun affin bin oder nicht. Ich meine, das hat ja jeder in irgendeiner Ausbildung, dass er vielleicht ein paar Dinge nicht so gerne macht, aber machen muss er ja trotzdem. Man muss es ja auch auf dem Schirm haben, irgendwie. Und gerade dieses zentrale Thema müsste ja eigentlich ganz oben aufgehängt sein.

Kolja Brandtstedt: Ich glaube aber auch, so oft ist ein Hinderungsgrund, dass sie sagen: Wir haben jetzt hier in der Universität oder auch im Seminar haben wir die perfekten Bedingungen, wir haben irgendwie ein Smartboard, wird haben mobile Endgeräte, die wir nutzen können, wir können da sozusagen viel stricken, viele Ideen gemeinsam entwickeln. Und dann kommen sie in die Schule und es ist noch nichts da. Ich glaube, dass wir da auch natürlich eine Veränderung haben werden, wenn die Technik vor Ort ist. Dass die Referendarinnen und die Referendare sehen: Ah, o.k., ich kann das ja auch wirklich umsetzen, was ich jetzt hier gelernt habe. Wir sehen an einigen Universitäten, wie gesagt, auch spannende Ansätze auch über Fächer hinauszudenken und das ganze Thema ganzheitlich zu sehen. Auch Universitäten gibt es, die sich sozusagen in einem Universitätsverbund zum Beispiel … digiLL ist da ein Beispiel, wo sich Universitäten in NRW, aber mittlerweile auch darüber hinaus, zusammengeschlossen haben, die dieses Thema vorantreiben wollen. Das sind oft dann einzelne Personen zwar, aber die können das dann noch mal in der Universität streuen und da gibt es auch Materialien, es gibt Fortbildungen, die die anbieten als öffentlich zugänglich. Und das ist schon spannend, was da passiert, aber sicherlich ist da noch Potenzial nach oben.

Michael Sonnabend: Könnte nicht ein Problem sein, auch in den Schulen selber, dass danach so ein bisschen überhaupt das Mindset für das fehlt, was so notwendig ist? Also ich glaube, das Problem an der Schule ist ja, dass es da nur drei Arten von Mitarbeitern gibt. Es gibt Lehrer, es gibt einen Hausmeister und es gibt Putzfrauen.

Simone Höfer: Gibt noch die Sekretärin.

Michael Sonnabend: Und vielleicht noch eine Sekretärin.

Kolja Brandtstedt: Ja, ganz wichtig. Genau.

Michael Sonnabend: Aber ansonsten, das, was man dafür bräuchte, also irgendwie eine IT-Administration oder so, ist ja gar nicht vorgesehen.

Simone Höfer: Ich glaube, das machen viele Lehrer dann ehrenamtlich, um es so zu sagen.

Michael Sonnabend: Darauf wollte ich hinaus, weil das scheint mir das Problem zu sein oder frage ich euch lieber, weil ihr seid ja die Experten. Ist das vielleicht das Problem, dass es oft so auf die Schultern von sehr aktiven Lehrern verlagert wird, die da vielleicht auch Spaß dran haben und die dann sozusagen das noch oben drauf übernehmen, zu dem Job, den sie sowieso schon haben?

Anne Lützelberger: Ja, also absolut. Es gibt im Moment keine übergreifenden Konzepte dafür, welche Menschen ein Mandat dafür bekommen, an der Schule, mit einem ausweichenden Stundenbudget und auch einem finanziellen Budget, die Administration zu machen. Da gibt es gute Beispiele. Das sind dann aber auch in der Regel findige Schulleiterinnen, die sich da was überlegen, die irgendwie zusätzlich noch Mittel an die Schule binden. Manchmal gibt es Schulträger, also Kommunen oder Städte, die sagen: Wir haben das erkannt, wir wollen das jetzt schon flächendeckend streuen, über unsere Schulen. Das sind dann halt 30 Gymnasien in der Region oder zehn Grundschulen im kleinen Landkreis. Aber flächendeckend ist diese Funktionsstelle, wie man das ja an Schulen immer auch noch sagt, einfach noch nicht gegeben. Und das ist ja auch einer der großen Kritikpunkte eben am Digitalpakt, nach wie vor, dass man gesagt hat so: Ja, es werden Gelder bereitgestellt, aber die Pflicht und die Umsetzung und die Aufgabe der Administration und der IT-Sicherheit und all dem, was da dranhängt, das sollen die Schulträger … Müssen sie mal gucken. Kolja, vielleicht hast du da noch ein Beispiel?

Kolja Brandtstedt: Genau, da kommen wir zu der nächsten Herausforderung, dass die Schulträger zu kämpfen haben, mit dem IT-Fachkräftemangel. Also wir haben einen ganz großen Bedarf an IT-Fachkräften, auch gerade in der Verwaltung. Aber diese einzustellen, das ist nicht so attraktiv für die meisten ITler, weil sie einfach sehen: O.k. Ich kann in der Wirtschaft viel mehr verdienen, ich habe flexiblere Arbeitszeiten, ich muss nicht im Büro immer sitzen, sondern ich kann auch mal von zu Hause arbeiten. Und da muss sich, glaube ich, Verwaltung auch verändern, also auch eine Haltungsänderung, auch ein Kulturwandel sozusagen in der Verwaltung, dass man auch mal Homeoffice machen kann. Ich glaube, da ist ein großer Bedarf. In den Schulen ist es wirklich oft so, also bei mir, ich kann aus meiner Hauptschule … Ich war an einer Hauptschule in Gelsenkirchen … war es nicht eine Lehrkraft, sondern es war der Hausmeister, der diesen IT-Dienst noch übernommen hat, zusätzlich, weil der sich da auch einfach auskannte. Aber das kann es ja nicht sein. Also wir können nicht die personellen Ressourcen, die aktuell in Schule sind, noch mit dieser Aufgabe zusätzlich betreuen. Und da müssen die Schulträger sich wirklich was überlegen, wie kann dieser First- und Second-Level-Support und auch die Wartung der Geräte, wie kann das gut vonstattengehen. Ich würde da noch mal einen anderen Punkt setzen, und zwar ist ja das jetzt die technische Seite. Und wenn wir über Mindset und Haltung usw. reden, müssen wir auch darüber reden, dass wir eigentlich Personen in der Schule brauchen, die auch die technische Seite und die pädagogische Seite vereinen und sagen: Wir bilden unser Kollegium auch fort. Das ist zum Beispiel, an einer deutsch-skandinavischen Schule hat das sehr gut funktioniert. Das ist jetzt eine Schule in freier Trägerschaft, aber die haben eine Person, die sich sowohl um die technische Seite kümmert als auch um die pädagogische Betreuung der Lehrkräfte. Und der, wie du schon sagtest, der Schulleiter, der sehr pfiffig ist, der ehemalige Schulleiter jetzt mittlerweile beim Forum Bildung, Digitalisierung, Jacob Chammon, hat halt gesagt: Wir brauchen eine Person, die meine Lehrkräfte auch betreut, bei der Integration der Medien. Und das ist, glaube ich, ein Konzept, was man wirklich auch mal hochskalieren könnte und sagen könnte: Das bräuchten eigentlich alle Schulen. Wir brauchen interdisziplinäre Teams. Ja, es gibt Schulsozialarbeiter, aber das war es dann auch schon wieder, zusätzlich zu den Lehrkräften. Teach First Deutschland entsendet natürlich Fachkräfte oder Führungskräfte, zukünftige Führungskräfte, an Schulen, die für zwei Jahre dort wirken. Da kann man dann wieder über das Thema der Nachhaltigkeit … Eigentlich müssten Schulträger dann sagen: Wir entsenden einen ITler, der sich vielleicht um drei, vier Schulen kümmert. Es gibt ja auch Forderungen aus der Politik, einen IT-Hausmeister anzuschaffen, für jede Schule. Also die Schulträger müssen da jetzt in die Pflicht genommen werden und müssen da kreativ werden.

Michael Sonnabend: Habt ihr denn den Eindruck, dass da was passiert, bei den Schulträgern oder sind das so einzelne Ideen und eher Zufall, dass sich was durchsetzt oder ist das schon irgendwie schon zu erkennen, dass es da eine größere Bewegung gibt? So nach dem Motto: Problem erkannt, wir müssen jetzt hier strukturell was verändern.

Anne Lützelberger: Es passiert auf jeden Fall. Schon alleine, weil sie zum einen eben gezwungen wurden, durch diese bildungspolitische Entscheidung und durch die Maßnahme. Da ist natürlich schon, trotz aller Kritik an der Sache, ist da ein Drive reingekommen. Das hat Fahrt aufgenommen, eben gerade auf dieser Verwaltungsebene, wofür wir sonst viele Jahre, glaube ich, kämpfen müssen, um da Geschwindigkeit reinzubringen. Und man muss ja auch bedenken, dieser Generationenwechsel, der überall stattfindet, in Unternehmen, in Schulen, in Stiftungen findet natürlich auch in den Schulträgern statt. Also so nach und nach sitzen da … Und auch bei den Landesinstituten, die die Lehrkräfte fortbilden und auch in den Studienseminaren für die zweite Phase, für das Referendariat kommen jetzt natürlich auch immer mehr Leute rein, die dann doch aus einer anderen Generation kommen, die eine andere Arbeitsweise gewohnt sind, die miteinander kollaborieren, ohne dass sie sich gegenseitig Dinge da vom Tisch nehmen wollen, die gemeinsam auch Entscheidungen treffen, die vielleicht auch über Hierarchien hinweg in Netzwerken denken. Also so, da gibt es halt natürlich superviele Beispiele dafür. Und es gibt Landkreise, wo es richtig toll funktioniert und man trifft auch immer mehr auf den Veranstaltungen, habe ich das Gefühl, Leute aus den Trägern, aus den Schulträgern. Das war vor einigen Jahren in der Form, meine ich, noch nicht der Fall, dass jetzt quasi auf einer Tagung zum Thema Digitalisierung, sei es von einer Stiftung oder von einem Land oder von wem auch immer organisiert, plötzlich ganz viele von den Schulträgern sitzen. Das sind dann in der Regel Leute so aus dem Mittelbau, also aus der Arbeitsebene. Referenten, ich weiß nicht, wie die Funktionen heißen, die total interessiert sind daran: Wie macht denn ihr das? Ach, das ist ein super Beispiel! Ich glaube, das kann ich bei uns im Landkreis auch umsetzen. Wir haben eine ähnliche Anzahl an Schulen. Wie habt ihr das geregelt? Ach, ihr hattet einen Runden Tisch mit allen Schulleitungen bei euch im Landkreis, für zwei Jahre. – So. Und dann, das ist vor vielen Jahren so, glaube ich, auch noch nicht gewesen. Und auch die vernetzen sich durchaus, aber es ist im Werden und alleine eben auch durch unsere föderale Struktur und dann noch mal durch die kommunale Struktur gibt es in dem Punkt keine flächendeckenden Strategien. Jede Schule ist auch ja tatsächlich anders. Also wenn man sagt, man hat jetzt ein Modell für eine digitale Hausmeisterin oder einen digitalen Hausmeister, heißt das ja noch lange nicht, dass das vielleicht bei jeder Schule auch die richtige Stelle wäre, weil bei einer anderen Schulkultur, vielleicht welche, die schon einen Schritt weiter sind, durchaus das eine andere Person auch machen kann. So. Ja.

Simone Höfer: Obwohl ich mich ja auch frage, ob sich eine IT-Fachkraft auf einen digitalen Hausmeister bewirbt.

Anne Lützelberger: Ja, das meinte ich vorher ja.

Simone Höfer: Also, das ist, glaube ich, nicht ansprechend, für Leute, die auch bei Google arbeiten könnten.

Kolja Brandtstedt: Genau. Also man muss es halt wirklich attraktiv machen, für die Personen. Und das ist, glaube ich, eine Herausforderung vor der alle Verwaltungsstrukturen, ob das jetzt in der Schule ist oder halt dann beim Schulträger oder darüber hinaus, da müssen sich neue Arbeitsmodelle einfach auch überlegen: Wie kann das ausschauen? Wie können wir agiler arbeiten? Wie können wir neue Kultur da reinbringen? Und auch sicherlich mit den Mitteln vielleicht auch mal ein bisschen mehr Geld bieten. Und ich glaube, das wäre aber auch in eine Generation kommen, wo andere Werte wichtiger sind als Geld. Ich glaube, dass Arbeitsmodelle Freiheiten für Familiengründung, für Urlaube, dass das immer wichtiger wird, und auch mal Homeoffice zu machen. Und von daher, da gibt es eine Chance. Ich glaube schon, dass es da eine Chance gibt, nicht nur über das Geld zu punkten, sondern über andere … Ja. Doch.

Michael Sonnabend: Ja, so viele Möglichkeiten gibt es ja auch gar nicht.

Kolja Brandtstedt: Stimmt. Das stimmt.

Michael Sonnabend: Ja, der … Das … Ich stottere hier rum. Das Stichwort „Digitalpakt“ ist gerade gefallen. Das hat ja ziemlich lange gedauert, bis es da jetzt mal so richtig losgeht. Ich habe noch mal geschaut, also ich glaube, in NRW fangen jetzt die ersten Schulen an, Gelder abzurufen. Also ich glaube, NRW musste, glaube ich, noch mal so eine Förderrichtlinie überhaupt aufstellen, das hat dann auch gedauert. Und jetzt geht es erst langsam los. Glaubt ihr, dass das eine gute Idee war, mit dem Digitalpakt? Hilft das?

Kolja Brandtstedt: Der Digitalpakt hilft, wenn wir über diese fünf Jahre hinausdenken, auch weiterhin zu investieren und eigentlich müssen wir noch mehr investieren, in die Infrastruktur noch mehr investieren. Wir werden nach diesen fünf Jahren immer noch nicht alle Schulen am Glasfaser haben. Wir werden immer noch nicht alle Schulen mit den nötigen Geräten ausgestattet haben. Und viel wichtiger, wir werden die Lehrkräfte auch mit den Mitteln, die wir jetzt aktuell zur Verfügung stehen haben, nicht alle Lehrkräfte mitgenommen haben, dass wir neues Lernen … Wir müssen nämlich auch über Schulbauten denken, wir müssen über neue Lernräume denken. Nur so können wir eigentlich das Bildungssystem und die Ziele, die die KMK uns sozusagen gesteckt hat oder wir uns gesteckt haben, können wir die nur erreichen. Also wirklich kompetenzbasiertes Lernen und Lehren, in der digitalen Welt sozusagen sich zurechtzufinden, die Schülerinnen und Schüler. Aber das können wir nur mit Mehrinvestitionen. Das ist ein guter erster Start, aber wir müssen über die Nachhaltigkeit dieses Programms oder des Digitalpakts nachdenken. Und es ist ja im Bundestag, Digitalpakt 2 wird verhandelt und wird besprochen. Von daher, wir sind da sehr hoffnungsfroh, auch als sozusagen Initiative, die abseits dessen läuft. Aber sicherlich ist da noch viel zu tun, und es war der richtige Schritt in die richtige Richtung. Der hätte vielleicht noch vor zwei Jahren früher kommen können, aber wir wollen uns jetzt da nicht beschweren, sondern mehr gucken, wie wir es gestalten können.

Anne Lützelberger: Das auf jeden Fall und schon in der Bundesratsdebatte zu dem Bundestagsbeschluss klang das ja an, mit Digitalpakt 2.0, längerfristiger Denken: Was ist denn jetzt mit der Fortbildung? Und in fünf Jahren sind doch die Geräte und die Apps alle schon veraltet und so. Also auch die Entscheiderinnen und Entscheider auf der politischen Ebene sind sich dem auch von Anfang an bewusst geworden. Das ist der klassische Minimalkonsens, den es vielleicht auch geben konnte, zu der Zeit im Bereich Bildungspolitik bei uns. Von daher ist es schon auch tatsächlich eine bemerkenswerte Sache. Das, finde ich, muss man nach wie vor irgendwie erwähnen. In anderen Bildungsbereichen, Bildungsthemenfeldern ist das undenkbar. Von daher super, aber ja, weitergehen, weitermachen und möglichst schneller.

Michael Sonnabend: Ja, ja, also den Eindruck hatte ich eigentlich auch. Als das kam und als so die Diskussionen waren, hatte ich eigentlich … Oft sind solche Sachen ja umstritten und so: Was soll das überhaupt? – und so. Aber bei dieser Geschichte waren eigentlich alle einer Meinung und haben gesagt: Ja, das war jetzt aber wirklich mal überfällig. Und jetzt macht aber auch mal gefälligst! Legt endlich mal los. Also das war so der Eindruck, den ich von dieser ganzen Diskussion im Sommer hatte oder im Frühjahr.

Kolja Brandtstedt: Was halt hinderlich war, bei der ganzen Digitalpakt-Sache war, dass die Schulen so lange hingehalten worden sind. Und dann war auch oft von Schulträgerseite: Ja, aber bald kommt ja der Digitalpakt. Und das zog sich dann und zog sich. Das heißt, das würde ich sozusagen noch mal als Kritikpunkt mitgeben, dass man eigentlich frühere Klarheit darüber haben muss: Was passiert jetzt da eigentlich und was ist unsere Aufgabe als Schule? Was ist unsere Aufgabe als Schulträger, um die Schulen fit zu machen, um unsere Schülerinnen und Schüler auch Medienkompetenz zu vermitteln? Das ist sicherlich eine Sache, die darf beim Digitalpakt 2 … Das muss nahtlos aufeinander aufbauen. Da darf nicht eine große Lücke sein, dass wir dann wieder zwei Jahre haben, bis dann die Geräte wieder veraltet sind, und dann die Fortbildungen nicht da sind, für neue Geräte. Genau.

Michael Sonnabend: Mal eine reine Wissensfrage: Was kommt eigentlich bei so einer Schule an, bei dem Digitalpakt? Kann man das so pauschal sagen? Wisst ihr das? Also sind das irgendwie 10.000 Euro oder 50.000 Euro, oder? Ist natürlich klar, je nach Schulgröße so, aber kann man das …

Kolja Brandtstedt: Ankommen sollen über 100.000 Euro pro Schule. Allerdings geht das meiste wahrscheinlich in den W-LAN-Ausbau innen, sozusagen in die Innenverkabelung und in die Bereitstellung von W-LAN, aber auch die Glasfaseranschlüsse. Ungefähr 25.000 Euro sind pro Schule angedacht, für mobile Endgeräte der Ausstattung der Einzelschulen. Das wird aber schon Schulträger zu Schulträger unterschiedlich sein, weil sie bestimmte Schwerpunkte setzen. Also, wir können zum Beispiel … Schulträger aus Hessen, die sagen dann eher: Wir zentralisieren alles sozusagen, also wir machen zentrale Server, wir legen jetzt die Leitungen in die Schulen und stellen W-LAN bereit und bei uns wird nicht so viel in die mobilen Endgeräte … Das wird dann über andere Haushalte, kommunale Haushalte oder ähnliche Haushalte geregelt. Das ist sehr, sehr unterschiedlich. Also man kann so sagen 400 Euro bis 500 Euro pro Schülerin und Schüler. Genau. Also, das ist jetzt nicht so viel Geld, dass man sagen kann, jeder Schülerin und Schüler bekommt ein mobiles Endgerät und damit haben wir die Schulen ausgestattet. Das soll es ja auch gar nicht sein. Schulen haben unterschiedliche Konzepte, die Schulträger haben unterschiedliche Konzepte. Und was wichtig ist, glaube ich, dass wir wirklich alle Schulen ans Internet bekommen. Das ist nämlich gerade bei den Grundschulen auch noch eine ganz, ganz große Herausforderung. Selbst wenn die Grundschulen sagen: Die ersten eins, zwei Jahre unterrichten wir jetzt nicht mit Tablets oder mit Computern – aber es muss eine Grundausstattung eigentlich für alle Schulen geben. Und dafür ist der Digitalpakt, glaube ich, die richtige Maßnahme gewesen.

Simone Höfer: Eigentlich schon traurig. In 2020 kein flächendeckendes W-LAN zu haben. Also selbst die Kommunen haben in ihren Ämtern doch schon seit Jahren … sind die doch am Netz, oder? Also!

Kolja Brandtstedt: Das ist traurig, ja.

Anne Lützelberger: Ja. Es ist einfach ein Befund, wo Prioritäten liegen und wie, ja, der Wert von Bildung verstanden wird, wenn man es jetzt ganz philosophisch und politisch so sagen will. Und das zeigen ja dann auch alle Ergebnisse, von PISA bis die internationalen Studien, wo wir da liegen, im Schnitt. Und es liegt definitiv daran. Wir haben es ja gesagt, die technische Ausstattung ist wirklich nur ein Teil. Und eigentlich geht es natürlich um was anderes. Und das andere muss eigentlich auch am Anfang stehen und am Ende, aber nichtsdestotrotz kann das eine letztlich sehr einfach umsetzbare Basis sein, für alles Weitere. Weil wenn wir über die eigentlichen Schwerpunkte sprechen, wie Kulturwandel, wie Änderung in der Haltung, wie Änderung im Setting, in der Organisationsform. Das sind natürlich noch viel langfristigere Prozesse, die auch wesentlich schwieriger sind, weil da eben der Faktor Mensch eine große Rolle spielt. So. Die Technik hätte man schon längst bereitstellen können.

Simone Höfer: Weil ohne Technik können auch die einzelnen Schulen nicht mehr was ausprobieren. Die Lehrkräfte nicht mitnehmen oder einfach sagen: Wir versuchen jetzt mal was. Aber wo soll man es machen?

Kolja Brandtstedt: Klar. Aber wir sind da auch pragmatisch. Also wir sind natürlich ein Programm, dass sehr auf die individuellen Bedürfnisse der Schulen eingeht und dann guckt: O.k., was gibt es für technische Gegebenheiten? Und dementsprechend richten wir das aus. Also, es geht ja nicht nur Lernen und Lehren mit Medien, sondern es geht auch Lehren und Lernen über Medien. Das kann man auch offline machen. Ich weiß, ich kann aus meiner Situation berichten, wo ich … Ich habe jedes Mal den Beamer aufgebaut, ich habe jedes Mal den Schülerinnen und Schülern über mein privates Handy einen Hotspot gemacht. Es gibt Möglichkeiten. Es ist immer dann abhängig von der Lehrkraft und auch von den Lernenden, wie sie es einsetzen wollen und wie viel wollen sie da reininvestieren und wie viel nicht. Und ich glaube, dass da diese eher softeren Themen eine ganz wichtige Rolle spielen, dass man mal aufbricht, dass man in Schulen geht und da Möglichkeiten zeigt. Und das ist viel wichtiger ,als dass jetzt jede Schule Glasfaser hat.

Michael Sonnabend: Also wir haben das Feld ja jetzt mal so ein kleines bisschen abgesteckt. Wir haben uns einen kleinen Überblick verschafft, wie der Status quo ist. Jetzt kommt der Stifterverband mal ins Spiel, mit seinem Programm „Schule in der digitalen Welt“. Da würde ich jetzt gerne mal ein bisschen draufblicken und mal ein bisschen rausarbeiten, warum so ein Programm … Also das Warum ist eigentlich schon klar, haben wir eigentlich jetzt schon ganz gut rausgearbeitet. Aber was will das Programm bewirken? Wo will es besondere, ja, Incentives setzen? Wo will es besonders anpacken? Weil eins ist ja allen klar, mit so einem Programm kann man natürlich nicht alle Probleme lösen. Aber wo wollt ihr besonders zupacken?

Anne Lützelberger: Also der Anlass war tatsächlich ja der Digitalpakt. Und vom zeitlichen Horizont her hätte es auch noch besser gepasst, wenn der Digitalpakt schon im Gange gewesen wäre. So ist es aber auch in Ordnung. Und die Idee war, einfach zu sagen: O.k. Wenn die Schulen eventuell in Teilen schon ausgestattet sind, auch mit Technik, sind eben die Lehrkräfte noch lange nicht fortgebildet. Die neuen Formen zeitgemäßen Lernens haben dadurch nicht automatisch Einzug gehalten. Und im Themenfeld Bildung hat der Stifterverband da einfach gesagt: Wir versuchen, da mal einen neuen Weg zu gehen, und nehmen mal Schulen in den Blick unserer eigentlich klassischen Programmarbeit mit Hochschulen, im Bereich Bildung. Und in vielen anderen Programmen hat der Stifterverband natürlich schon sehr lange auch mit lehrerbildenden Hochschulen zusammengearbeitet. Dadurch war da Programmdesign von Anfang an so bestimmt, dass wir gesagt haben, wenn wir was für Schulen tun, wenn wir da uns engagieren wollen, mit denen gemeinsam auch was erarbeiten wollen, in dieser Zeit, haben wir sofort die Lehrerbildung an den Universitäten mit im Blick. Das ist auch insofern ein Alleinstellungsmerkmal als das andere Förderprogramme, die eben Schulen begünstigen, mit Schulen was machen, häufig die Lehrkräfteausbildung, die erste Phase vergessen. Und gerade eben bei dem Thema – wir haben das vorhin ja eben gesagt, mit den Studierenden des Lehramts ist es superwichtig die jetzt stattfindende Veränderung in der Schulpraxis eins zu eins zurückfließen zu lassen, in die Lehramtsausbildung. Das muss miteinander verzahnt werden. Und das haben eben viele erkannt, das hat uns dann die Ausschreibung auch gezeigt. Es haben sich Verbünde beworben. Also immer eine lehrerbildende Hochschule, gemeinsam mit einer Schule, wo in der Regel schon im Vorfeld auch ein Kooperationsverhältnis bestanden hat, entweder über fachliche Zugänge, ein Projekt im Deutschunterricht oder so oder über eine zentral gesteuerte Ebene durch das Zentrum für Lehrerbildung, weil das einfach eine Praxiseinsatzschule ist für Praktika im Lehramtsstudium, bis hin zu großen Projekten auch, die da schon gelaufen sind. Die Besonderheit dann und vielleicht die Herausforderung, die bestand eben für den Stifterverband zu sagen: Wenn wir im Bereich Bildung in der klassischen Programmarbeit vernetzen, fördern und beraten wollen, können wir das vor allen Dingen im Feld Beratung selber nicht leisten, weil wir keine große Expertise haben, in dem Feld: Was machen denn die Lehrkräfte dann jetzt genau im Unterricht? Und wie geht eigentlich digitale Schulentwicklung und was bedarf es alles? – und haben deshalb eben vier zivilgesellschaftliche Organisationen mit an Bord genommen, die nicht im Sinne eines klassischen Auftragnehmers jetzt an den Schulen, in den zwei Jahren ein Programm fahren, sondern mit uns gemeinsam entwickelt, bedarfsorientiert Angebote an den Schulen spielen. Die sind die Experten vor Ort, die sind die Leute im Feld. Wir haben heute Kolja Brandstedt dabei, von der Pacemaker-Initiative. Es ist aber auch noch das Education Innovation Lab dabei, in der Szene ein bekannter Player auch. Die AIM-Akademie, das ist eine Tochter der Dieter Schwarz-Stiftung, die eben eigentlich in Akademieformaten Angebote hat und jetzt auch an Schulen geht und das Netbased Learning Institute, ein kleiner Verein aus Berlin. Und das ist eine schöne, große, bunte Truppe, die jetzt eben zusammen mit diesen 18 Schulen, die es dann am Ende geworden sind, und den lehrerbildenden Universitäten für mindestens zwei Jahre da an dem Thema jetzt arbeitet, auf verschiedenen Ebenen. Und das ist sehr wild. Und das ist ja klar, schon mit Antragstellung natürlich eher die Lehrkräfte, die auch Bock haben, was zu machen. So. Manchmal sind es Einzelkämpferinnen an den Schulen oder so, und nicht alle im Kollegium sind schon committet, mit dem Vorhaben. Aber im Großen und Ganzen sind es Schulen, die noch nicht so weit sind, also wir haben jetzt hier keine Leuchtturmprojekte ausgezeichnet, sondern ganz klar gesagt, das sollen Schulen sein, die erst am Anfang stehen. Nichtsdestotrotz haben die aber Konzepte eingereicht, das heißt, eigentlich sind sie schon sehr weit, weil sie eigentlich einen Gedankenschritt nämlich schon gemacht haben, in die richtige Richtung: Was wollen wir machen? Wo gehen wir hin? Genau.

Michael Sonnabend: Und wann ist das Programm gestartet und wie lange wird das laufen?

Anne Lützelberger: Also die Ausschreibung war 2018 im Dezember dann beendet. Im Februar gab es eine Jurysitzung, mit wirklich tollen Jurymitgliedern. Und im Mai haben wir dann gestartet. Also am 08. Mai war das erste Netzwerktreffen aller, und das war sozusagen der Startschuss in der Programmarbeit. Es geht über zwei Jahre, das heißt, die logische Konsequenz ist im April 2021 werden wir das mit einem großen Paukenschlag … ich mag nicht sagen beenden, aber zu mindestens die erste Runde dann abschließen, in der Form. Genau.

Michael Sonnabend: Du hast gesagt: Fördern, beraten, vernetzen. Woraus besteht der Förderanteil?

Anne Lützelberger: Der Förderanteil ist einmal eine Geldsumme über 15.000 Euro, die wir direkt an die Schulen gegeben haben. Wenn wir jetzt die umgesetzten Mittel vom Digitalpakt pro Schule sehen, was letztlich noch für die Schule bleibt, an zusätzlichen Ausgaben, kann das für die meisten Schulen tatsächlich sehr viel Geld sein. Also wir haben einige Schulen im Programm, das sind eben gerade auch benachteiligte Schulen in vielerlei Hinsicht. Für die ist die Summe, 15.000 Euro, das ist ein Posten. So. Damit kann man echt was machen. Eine kleine Grundschule in Bayern mit elf Lehrkräften, kann man sich ja ausrechnen, was das bedeutet pro Kopf. Das ist dann schon ein ordentliches Budget. Und wir haben auch gesagt, dass wir den Schulen natürlich nicht vorschreiben, wofür sie dieses Geld einsetzen, sondern im Rahmen der Antragstellung haben sie uns dargelegt: Wenn wir an unserem Medienentwicklungsplan arbeiten, wenn wir Schulentwicklung vorantreiben wollen, dann brauchen wir dafür bestimmte Dinge. Und dafür ist dieses Geld da. Und da haben sie jetzt zwei Jahre Zeit das einzusetzen. Und die weitere finanzielle Förderung ist sozusagen über Bande, dadurch, dass wir die vier zivilgesellschaftlichen Organisationen sehr umfassend fördern, damit sie die Arbeit an den Schulen machen können.

Michael Sonnabend: Verstehe. Das Geld ist wahrscheinlich dann auch nicht alles oder gar nicht mal das

Anne Lützelberger: Nein, genau.

Michael Sonnabend: Wichtigste. Also man kann schon was damit anfangen, wird wahrscheinlich dann auch sozusagen in die Entwicklung von Konzepten fließen, vermute ich mal. Aber wahrscheinlich ist es viel wichtiger, in so einem Programm in Kontakt mit anderen zu kommen und sich da vernetzen zu können.

Anne Lützelberger: Absolut.

Michael Sonnabend: Also, du hast von so einem Netzwerktreffen gesprochen?

Anne Lützelberger: Genau. Es gibt zwei Netzwerktreffen im Jahr. Innerhalb des Netzwerkes – und das verstehen wir dann wirklich so als großes Netzwerk, also auch die vier Coaching-Partner sind irgendwie Teil dieses Netzwerkes, genauso wie die Hochschulen und die Schulen und der Stifterverband als programmkoordinierende Einheit – gibt es eben zwei Treffen von allen im Jahr und unterjährig gibt es Arbeitsgruppen. Die haben sich gegründet auf dem ersten Treffen und noch mal konstituiert auf dem zweiten Treffen. Die wirklich an selbst gewählten Themen für die zwei Jahre auch noch mal so ein gewisses Budget von uns dann kriegen, um einfach arbeiten zu können. Also das ist dann für Lehrkräfte einfach zu sagen: Wir müssen uns jetzt doch noch mal in analogem Raum treffen, weil wir gemeinsam wirklich an einem Konzept arbeiten wollen. Das geht eben nicht irgendwie mit einem Video-Call. Da stehen dann halt auch noch mal Ressourcen dahinter, um sich irgendwo zu treffen und vielleicht auch was Nettes zu essen und übernachten zu können. Und das haben wir sozusagen auch noch im Budget, dass diese Arbeitsgruppen wirklich was machen können. Es sind sechs Stück, mit sehr verschiedenen Themen. Und das fließt dann wieder in die großen Netzwerktreffen ein. Und der Plan ist schon … Und viele haben da auch wirklich Lust drauf, nicht nur, um sich selber dann auch eigentlich fortzubilden, in dieser Zeit, sondern wirklich dieses Wissen zu teilen, mit anderen und möglichst transferfähig zu machen, auch für Schulen, die eben nicht am Programm teilnehmen können, dass wir das dann eben über die erwähnte digiLL-Plattform veröffentlichen. Also wir haben ein Commitment schon bekommen, von diesen Universitäten, die auch im Programm sind, vertreten durch Schulen, dass wir diese Plattform zur Verfügung gestellt bekommen, macht total Sinn, ist ressourcenschonend. Es gibt diese Plattform schon, es ist an den lehrerbildenden Universitäten angedockt. Und da können wir eben wirklich alle unsere Materialien … Das kann ein Onepager sein zum „Wie sind die Funktionen eines iPads?“ bis hin zu einem Blendet Learning Kurs über sechs Monate: „Wie mache ich digitale Schulentwicklung?“, kann sozusagen alles dabei sein.

Kolja Brandtstedt: Genau. Aber ich glaube, was das Innovative ist, an diesen Netzwerktreffen ist, dass sich Schulen auch ohne sozusagen finanzielle Ressourcen in die Hand zu nehmen, sich vernetzen können, über die Bundesländergrenzen hinweg. Das ist einer der innovativsten Formate eigentlich in diesem Programm, jetzt mal abseits von dem, was an Schule passiert. Weil danach suchen Lehrkräfte gerade auch händeringend, transferfähige Konzepte sind jetzt, wie gesagt, zum Beispiel zum Thema „Medienpass“ für Schülerinnen und Schüler in der Grundschule haben sich Leute vernetzt, über die Bundesländergrenzen hinweg und entwickeln gemeinsam einen Medienpass für die Schülerinnen und Schüler in der Grundschule. So ein Format, das ist wirklich innovativ und sehr gewinnbringend für die Schulen.

Anne Lützelberger: Da sind sogar die Förderschulen mit dabei.

Kolja Brandtstedt: Genau. Richtig.

Simone Höfer: Und „Medienpass“ heißt Medienkompetenzen erlernen?

Kolja Brandtstedt: Genau. Und dass sie hinterher, nach der Grundschule, sozusagen einen Medienpass in der Hand haben und sagen können:

Simone Höfer: Ich kenne mich aus.

Kolja Brandtstedt: Das und das habe ich. Genau. So Medienführschein, Medienpass. Genau.

Michael Sonnabend: Wie heißt die Plattform? Habe ich gerade …

Anne Lützelberger: digiLL.

Michael Sonnabend: digiLL?

Anne Lützelberger: Ja, Digi klein und dann zweimal LL. digiLL.

Michael Sonnabend: Aha, digiLL.

Anne Lützelberger: Ja.

Michael Sonnabend: Und die betreibt wer?

Anne Lützelberger: Das ist ein Konsortium aus sieben Universitäten. Hier Ruhrpott Rheinland, da ist Köln dabei, Bochum, Essen, Düss…

Kolja Brandtstedt: Münster.

Anne Lützelberger: Münster und weitere.

Kolja Brandtstedt: Und mittlerweile auch über NRW hinaus. Kassel ist zum Beispiel dazugekommen. Also es kommen immer mehr Universitäten dort dazu und die Plattform ist OER, also Open Educational Ressources, offen und frei und genau, kann von jedem genutzt werden. Aktuell sind da, glaube ich, so elf Fortbildungsmodule schon online gestellt. Das heißt, wenn man auf die Seite geht, digiLL.de. Also ist nicht mehr … Vorher war es digiLL-nrw.de, aber jetzt ist es digiLL.de. Deutschlandweit und sie wollen das auch ausweiten. Da kann man als Lehrkraft kostenfrei sich fortbilden lassen. Und das sind auch so neue Fortbildungsformate, die wir immer mehr versuchen, in Schule reinzubekommen, dass sie nicht mehr auf die klassischen Fortbildungen nur setzen. Die sind wichtig und gut, aber halt auch solche, die man dann zu Hause nutzen kann auch oder am Wochenende. Genau.

Anne Lützelberger: Und für uns ein super Angebot seitens der Universitäten, was auf unser Programmziel einzahlt, zu sagen: Wir wollen transferfähige Teilkonzepte in die Breite tragen. Das heißt, wenn im Netzwerk in diesen zwei Jahren etwas identifiziert wird, als: „Das hat schon gut geklappt bei uns“ oder „Wir haben es jetzt als Konzept und wollen es gerne umsetzen und wollen das anderen zur Verfügung stellen“, dann ist das natürlich irgendwie nicht angebracht, eine Publikation dazu zu machen, oder es in Veranstaltungen zu erzählen, sondern da ist so eine Plattform perfekt. Dahinter liegt ein Qualitätsmanagement, weil natürlich OER-Materialien bestimmten Anforderungen ja genügen müssen, auch mit der Lizenzvergabe usw. Und da ist da an den Universitäten auch eine Ressource dafür da, die dieses Material in einem bestimmten Format dann auch aufbereitet. So. Und das ist für den Stifterverband natürlich ein nettes Angebot, zu sagen: Wir hosten das da, wo es auch hingehört, wo die Lehrerbildung ist, wo die Lehrkräfte, auch so in Fortbildungen, sich auch orientiert, wo Lehrerinnen und Lehrer einfach völlig barrierefrei drauf zugreifen können. Ja.

Michael Sonnabend: Ich würde noch mal gerne zurück zu diesen Netzwerktreffen bzw. zu den einzelnen Schulen und die Themen, an denen die arbeiten. Also du hast, glaube ich, gesprochen von fünf oder sechs Hauptthemen, an den die arbeiten? Oder habe ich das falsch verstanden?

Anne Lützelberger: Ja, das sind die sechs Arbeitsgruppen, die es netzwerkweit gibt. Meinst du die?

Michael Sonnabend: Ja.

Anne Lützelberger: O.k. Sehr breit, also eine Arbeitsgruppe, die ist auch sehr gemischt, zwischen Vertreterinnen aus der Hochschule und den Schulen, arbeitet zum Thema „Veränderungsprozesse an Hochschule gestalten“, diesmal digital. Die haben es sich tatsächlich zum Auftrag gemacht, zu gucken: Wie kann das denn wirklich gehen, Veränderung anzustoßen? Wie gestalten wir das? Und wie können wir das digital gestalten? Also nicht für die Digitalisierung, sondern mit. Die machen erst mal zum Beispiel eine Bestandsaufnahme: Was gibt es denn schon alles? Das ist eben ja auch ein großes Problem in unserem Themenfeld,

Michael Sonnabend: Auch wichtig, ja.

Anne Lützelberger: es gibt so unfassbar viele gute Dinge. Niemand hat die Ressourcen das zu recherchieren, das zentral irgendwo zusammenzuführen. Und wenn es da Leute aus der Praxis gibt, die eben damit arbeiten, die dann sagen: Ich nehme mir jetzt mal die Zeit und sondiere und gucke: Was gibt es schon und trage das für andere zusammen. Perfekt. Dann haben wir eine Gruppe, die kümmert sich ums Thema Datenschutz. Ein Riesenthema bei den Lehrkräften und bei der Schule auch, ein Riesenthema. Da hatten wir auch beim zweiten Netzwerktreffen eine Referentin da vom Ministerium in Mecklenburg-Vorpommern, die zu dem Feld gesprochen hat: Wie kann ich trotz Datenschutzbestimmungen Innovation an Schule vorantreiben? Ein super Move bei dem Thema zu sagen: Wir fangen jetzt nicht an, zu jammern: Es gibt diese Gesetzeslage und das ist alles so schwer und ich stehe mit dem halben Bein im Gefängnis, wenn ich dies und jenes mache. Und das darf ich nicht und das geht nicht – sondern zu überlegen: Wie können wir mit dem Rahmen, den wir haben, trotzdem Innovationen gestalten? Und da gab es gute Beispiele, wie das geht, ohne einen Rechtsbruch zu gestalten. Sowohl wenn es jetzt Unterrichtsformate sind oder, ja, arbeiten eben auch mit Bild- und Videomaterial, bis hin zu: Auf welcher Plattform darf ich mich mit welchen Daten eigentlich anmelden? Kann ich von der Schule aus dies oder jenes bedienen, ja, nein? Sehr praktisch. Die tragen auch erst mal zusammen, was es schon gibt, an Erkenntnissen. Das ist ja auch wieder ein Länderthema. Das muss man 16-fach ja unterschiedlich betrachten. Und was die vorhaben, ist unter anderem Vorlagen zu erstellen, die gerade händeringend gesucht werden, an den Schulen: Wenn ich mit meinen Schülerinnen und Schülern eine Datenschutzvereinbarung abschließen muss, gibt es da bitte eine Vorlage dafür, dass ich das einfach mir ziehen kann, aus dem Netz. Die ist dann rechtsverbindlich gut formuliert, die kann ich nutzen. Die wollen also sehr viele Vorlagen produzieren, auch perfekt für das Portal geeignet.

Michael Sonnabend: Muss nicht wieder jeder von vorne anfangen. Sehr hilfreich.

Anne Lützelberger: Genau. Da beziehen die natürlich auch das Twitter-Lehrerzimmer in ihre Arbeit mit ein, was es ja gibt als, ja, kleine, aber feine und megaaktive Onlinecommunity, bei Twitter eben zu dem Thema, wo auch schon viel geteilt und verschickt wird, aber das, ja, hilft da sehr. Aber vieles gibt es eben noch nicht, da wollen die eben was erstellen, tatsächlich eben auch mit Unterstützung, dass das dann sozusagen benutzt werden kann. Dann haben wir noch eine Gruppe, die beschäftigt sich mit OER-Materialien. Die ist quasi angedockt an diesem digiLL-Projekt auch. Das sind Vertreterinnen und Vertreter von dort. Wir haben eine Gruppe, die macht was zu Sprachförderung. Weil gerade bei den Grundschulen, aber eben auch bei den Sek-I-Schulen, das ein großes, großes Thema ist, und wir haben ja eben in Bildung ja noch andere Herausforderungen

Michael Sonnabend: Allerdings, ja.

Anne Lützelberger: jeglicher Art. Und das aber eben unter diesem Blickwinkel, zu sagen: Wir nutzen dieses Thema Digitalisierung als Chance auch für andere Themen. Das heißt: Wie können wir den Auftrag Sprachförderung zu machen, mit digitalen Tools, aber auch mit eben vielleicht Veränderungen überhaupt in dem Setting, da vorantreiben. Es gibt eine Gruppe, die macht was zu

Kolja Brandtstedt: Informatik.

Kolja Brandtstedt: Oder?

Anne Lützelberger: informatischer Grundbildung.

Kolja Brandtstedt: Informatische Grundbildung. Genau.

Anne Lützelberger: Ja, das ist eher auch, glaube ich, eine universitär geprägte Gruppe, aber es sind auch ein paar Leute von den Schulen mit dabei, die sich eben darum kümmern. Es gibt im Lehramtsstudium fächerübergreifend an einigen Universitäten dafür schon gute Beispiele zu sagen: Alle Lehramtsstudierenden – und dann ist es egal, welches Fach und welche Schulart die studieren – müssen einmal zusätzliche Leistung erbringen, eben in dem Bereich „Informatische Grundbildung“. Und die vergleichen die Konzepte, die sie schon haben, die es auch schon gibt, und entwickeln da eventuell, ja, Konzepte, die man vielleicht als Module wirklich benutzen kann. Also, wo andere Universitäten sagen können: Wir wollen das auch über unsere 700 Lehramtsstudenten für die Grundschule spielen. So.

Kolja Brandtstedt: Das wird noch mal interessant, weil jetzt auch gerade in vielen Ländern das Pflichtfach Informatik eingeführt wird und eigentlich gibt es zu wenig Informatiklehrer. Und dass wir wenigstens … Also, dass wir nicht nur die informatikaffinen Lehrkräfte dann da reinschicken, sondern dass wir auch eine Grundbildung haben, ein Grundverständnis von: Was sind eigentlich Algorithmen? Was passiert in einem Computer, in dem Handy? Das ist nicht so dieser Außenblick, sondern auch dieser Innenblick: Was ist da technisch dahinter und wie verändert sich auch unsere Welt, durch Algorithmen und ähnliche Themen?

Anne Lützelberger: Ja, und das ist ein gutes Beispiel eben dafür, dass wir sagen können, trotz Dinge, die Unterschiede machen, wie Bundesland, Schulgröße, Schulart,

Kolja Brandtstedt: Universität.

Anne Lützelberger: soziokultureller Background, in dem die Schule sich befindet, auch Geschichte der Schule, all das, Universität direkt dabei oder eher weiter weg, gibt es verbindende Themen. Und klar, im Berufsalltag ist das für die Lehrkraft natürlich nicht gut einzubauen, zu sagen: Ich habe jetzt noch den Horizont dafür: Was sind denn so die allgemeinen Themen, die uns alle umtreiben? Und genau dafür ist eben dieses Programm da, dass wir sagen: Wir schaffen dann einen Rahmen dafür, wir geben euch einen Anlass, entweder bei den großen Treffen, wo wir zwei Tage wirklich zusammensitzen und können dann eben an den Themen weiterarbeiten, die wirklich viele betreffen, unabhängig von den Bedingungen dann auch vor Ort. Und schafft auch so ein bisschen eine Haltung. Es geht viel auf Lehrkräftefortbildungen … habe ich immer wieder den Satz auch gehört: Das ist ja eine schöne Idee, aber an meiner Schule klappt das nicht. Das kann ich an meiner Schule nicht machen. – Total verständlich, die Reaktion, weil man sieht sofort seine Bedingungen vor Ort und sagt: Fein, aber für mich nicht umsetzbar. Und ich glaube, wenn die gemeinsam von Anfang an ja sozusagen immer wieder ihre Bedingungen vor Ort abklopfen, dann sind das auch brauchbare Dinge, die da erarbeitet werden, weil es dann halt nicht ein Leuchtturmprojekt ist, was nur mit sehr, sehr guten Bedingungen umsetzbar ist, sondern handgreiflich.

Kolja Brandtstedt: Ich glaube, diese Arbeitsgruppen sind auch noch mal spannend in der Hinsicht, dass wir immer mehr ja da hinkommen müssen, auch Lernen über Beziehungen und Lehrkräfte tauschen sich gegenseitig aus, lernen voneinander und lernen aus Fehlern von anderen. Und das ist, glaube ich, ein sehr, sehr schöner Ansatz, da einfach reinzugehen und zu sagen: O.k. Auch dann hinterher den Transfer in die Schule: Bildet doch selber mal Arbeitsgruppen dann noch zusätzlich in der Schule und lernt voneinander, lernt miteinander, und nicht nur immer so top down, da kommt jetzt eine Fortbildung und dann, in dem Moment, müssen wir dann lernen. Sondern „Lernen“ mehr als „in Netzwerken vernetzt zu lernen“ und von den Menschen, die mich umgeben zu lernen, und das auch so wahrzunehmen, dass das ein Lernen miteinander ist und nicht ein: Der sagt mir jetzt irgendwas und mein Lehrerkollege sagt mir jetzt irgendwas, was ich dann schwer aufnehmen kann. Sondern mehr so …

Michael Sonnabend: Wir haben jetzt viel über Lehrer gesprochen, über Schulleitungen. Wir haben noch nicht über Schülerinnen und Schüler gesprochen. Was ist deren Rolle eigentlich oder spielen die eine Rolle in den ganzen Überlegungen? Wahrscheinlich ja, aber…

Anne Lützelberger: Ja. Also, ich kann was zum theoretischen Rahmen sagen. Der Kolja ergänzt dann natürlich aus der Praxis. In den Anträgen, und das spricht eigentlich wirklich für alle Anträge, die es gab, nicht nur für die 18, die es dann geworden sind, sind alle Tandems, die sich beworben haben, immer von der Schüler*innenschaft ausgegangen, in ihrem Antrag. Also der Text hat immer begonnen: Wer sind unsere Schülerinnen und Schüler? Wie viele sind es? Wo kommen die her? Wie geht es denen? Wie lange sind die bei uns an der Einrichtung? Was können die bei uns jetzt schon lernen? Was haben die für eine Elternschaft? Wo befindet sich unsere Schule? Und wie ticken die Schülerinnen und Schüler? Und das schloss auch immer damit: All das, was wir tun, tun wir nicht nur für sie, sondern wir wollen es eigentlich sehr gerne mit ihnen machen. Und durchaus war das auch bei einigen Schulen, die dann jetzt im Programm auch sind, tatsächlich in den härteren Zielformulierungen dann so genannt, dass die Schüler partizipieren sollen, am Prozess und auch Teil des Prozesses sind. Und man nicht das eben für die macht, sondern mit denen, um da wirklich den Kulturwandel so voranzutreiben, dass die eine andere Rolle auch einnehmen.

Kolja Brandtstedt: Genau. Also ich kann mal berichten, aus den Schulen. Da ist es so, dass wir immer das Modul der Schulentwicklung mitdenken und dabei auch den Schulen das nicht verpflichtend auflegen, sondern mehr als Hinweis geben, dass sie ja in der Steuergruppe auch die Schülerinnen und Schüler und die Eltern miteinbeziehen können: Was ist eigentlich unsere Rolle zukünftig? Wie sieht unsere Vision aus? Arbeiten wir gemeinsam am Medienkonzept? Das ist so eine Sache, die auch noch nicht angekommen ist. Wir können ja nicht mit und über Medien lernen und dann nicht die Schülerinnen- und Schülerperspektive da miteinbeziehen. Das versuchen wir immer mehr, nicht über dieses Aufoktroyieren: Wir sagen jetzt wie es funktioniert – sondern mehr: Das ist jetzt noch mal ein Hinweis für euch. Bezieht die Schülerinnen und Schüler mit ein. Wir hatten da ein sehr schönes Erlebnis auch in Dresden, wo wir an einer Schule sind. Das ist eine sehr freie Schule, die auch mit vier Lernzeiten arbeitet, offene Raumkonzepte da schon entwickelt hat, die Integration von Medien aber nur sehr punktuell gemacht hat. Und da haben wir einen Workshop gegeben, wo dann auch … oder eigentlich eine Visionsentwicklung mit denen gemeinsam gemacht, wo ganz viele Schülerinnen und Schüler partizipiert haben, und hinterher Workshops selber auch angeboten haben. Und das war eine sehr, sehr positive Stimmung. Wir machen auch selber Qualifikationen von Schülerinnen und Schülern in dem Bereich der Medienkompetenz. Das werden wir hier in den Schulen im Ruhrgebiet auch besonders machen, die sich einfach wünschen … „Wir können es aktuell in den Unterrichtsfächern nicht abbilden“, sagen die Lehrkräfte oft. Wir würden uns wünschen, wenn wir als Pacemaker Initiative da reingehen und sagen: O.k. Wir machen den ersten Aufschlag, wir geben den Schülerinnen und Schülern mal ein Bild davon, was es eigentlich bedeutet, was ändert sich an der Lehrer-Schüler-Rolle? Was heißt das eigentlich, die linke oder rechte Hand der Lehrkraft zu sein, sie zu unterstützen, sowohl in der technischen Infrastruktur als auch in den neuen Lernformaten? Und dann gehen wir da über, dass wir sagen: O.k. Wie können wir das weiterentwickeln? Wie können wir Multiplikatoren fortbilden, bei den Lehrkräften, dass sie das weitertragen? Und hier in NRW gibt es da die Medienscouts, die sehr in einem fachlichen Austausch dann sind und die auch Workshops für Schülerinnen und Schüler geben. Wir sind auf einer bisschen anderen Ebene. Wir sagen einmal die technische, sozusagen das Werkzeug bringt uns dahin. Das ist ein Brückenschlag oder eine Brücke für eine Haltungsveränderung in der Schule, zu sagen: O.k. Die Schülerinnen und Schüler haben eine andere Rolle in der Klasse und dadurch kriegen wir auch eine veränderte Haltung. Und das ist uns ganz wichtig in der Zusammenarbeit mit den Schulen und auch, ja, der Austausch zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern.

Anne Lützelberger: Ja, und diese Beispiele … Mir fällt jetzt gerade noch ein Beispiel ein von einem Gymnasium in Bayern – jetzt gar keine Programmschule von uns, das ist auf einer Tagung berichtet – die haben das Medienscouts mal ausprobiert, das ist ja in Bayern, in der Form wie es in NRW ist, nicht flächendeckend bis jetzt so installiert. Und das hat dazu geführt, einfach nur, dass die sozusagen die Technikbeauftragten im Klassenraum und Unterricht waren, dass aber dann in einem weiteren Schritt plötzlich Lehrkräfte selber der Schulleitung vorgeschlagen haben: Können wir bitte nicht die Schülerinnen und Schüler bei den Entscheidungen mit einbeziehen? Wenn wir gemeinsam als Schulgemeinschaft entscheiden: Wo soll den die Reise hingehen? Was ist denn auch unser Schwerpunkt, wenn wir sagen, wir wollen uns jetzt hier digitalisieren? Wollen wir da auch vielleicht Demokratie mal als Feld mit einbeziehen oder BNE miteinbeziehen? Was interessiert euch? Ist es eure Zukunft auch? Und dann haben sie wirklich so schulweite Befragungen gemacht und haben sehr radikal die Entscheidungen der Schülerinnen und Schüler ins Konzept mit aufgenommen. Also ohne das dann auch noch mal vielleicht nach einem gewichteten Proporz, die Meinung der Schüler zählt nur eins von zehn oder so, haben die nicht gemacht, sondern die haben das da … Und der Anlass, das war der Bericht, war, weil die das Medienscout-Prinzip mal ausprobiert hatten, für zwei Jahre. Dadurch haben sich Formen der Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen SchülerInnen und Lehrkräften ergeben, die haben die dann natürlich ganz anders wahrgenommen. Und bei den Eltern ist das, glaube ich, ähnlich. Also so kann man auch und sollte man auch die Elternschaft natürlich mit in diese Entscheidung miteinbeziehen und in diesen Fortgang, weil es halt nicht losgelöst geht.

Kolja Brandtstedt: Man muss auch sagen, also man erwartet ja dann immer, dass die Schülerinnen und Schüler total offen sind. Also das Thema zum Beispiel „Bring Your Own Devices“, bring dein eigenes Gerät mit in die Schule und nutze auch das W-LAN der Schule. Da denkt man immer: Ja, alle Schülerinnen und Schüler wären sofort dafür. Offenes W-LAN, wir dürfen überall daddeln, überall spielen, wo wir können. Das passiert aber gar nicht witzigerweise, sondern witzigerweise sind die viel kritischer. Also wir hatten jetzt vor Kurzem bei einer anderen Schule, wo das Medienkonzept mit Lehrkräften, Teil der Schulleitung und Teil der Schülerschaft entwickelt worden ist. Und da haben die Lehrkräfte erst mal gesagt per se: Ja, wir wollen das schon für alle Schülerinnen und Schüler offen haben, weil wir haben jetzt die Möglichkeiten, endlich sind sie da, jetzt wollen wir es auch allen ermöglichen. Und dann sagten die Schülerinnen und Schüler tatsächlich: Nein! Also die 5., 6. Klasse, die wollen wir gerne noch mal ein bisschen rausnehmen dort, die sollen erst mal damit den Umgang erlernen. Die sollen sozusagen so einen PC-Führerschein, Internetführerschein machen und dann ja, dann offen. Aber solche Sachen kommen … Solche Impulse kommen dann von Schülerinnen und Schülern und gar nicht von den Lehrkräften, die vielleicht normalerweise so wahrgenommen werden, mit dem erhobenen Zeigefinger: Wir dürfen jetzt erst mal ... sehr restriktiv gehen wir damit um. Das ist eine sehr spannende Entwicklung. Letztens, eine Schule aus Freiburg kennengelernt, eine freie Schule allerdings auch wieder, wo eben so ein demokratisches Digitalisierungskonzept gefahren wird. Und da gibt es dann regelmäßige Treffen, wo die auch entscheiden: Welche Programme, welche Internetseiten usw. werden genutzt in der Schule, dürfen genutzt werden? So eine Whitelist sozusagen. Also nicht eine Blacklist: Wir verbieten alles – sondern mehr: Was ist denn möglich? Und da entscheiden Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den Lehrkräften und die sind auf einer Ebene, hierarchisch. Und ich glaube, da müssen wir auch immer mehr kommen … Nicht in allen Themen,

Simone Höfer: Völlig klar.

Kolja Brandtstedt: also das Budget der Schule sollte natürlich nicht unbedingt von den Schülerinnen und Schülern bestimmt werden, wo es ausgegeben wird, vielleicht nur punktuell. Aber bei diesem Thema, wo die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler betroffen ist, ganz klar Schülerinnen und Schüler miteinbeziehen.

Michael Sonnabend: Ja, ich finde es ganz interessant, mal so auch auf das Selbstbild von Schülern zu gucken, in dem Zusammenhang. Weil es gibt ja so ein komisches narrativ, was immer wiederholt wird: Na ja, das sind die Digital Natives, die wissen sowieso viel besser als die Erwachsenen mit den Dingen umzugehen. Ich vermute mal, dass das auch nicht immer so sein wird, vielleicht sogar nur selten. Also vielleicht kennen sie bestimmte Funktionen auf ihrem Handy besonders gut, aber ich glaube „Digital Native“ würde was ganz anderes bedeuten, und würde bedeuten, dass sie mit einer ganz anderen Kompetenz in Dinge reinblicken. Und ich vermute mal, dass die Kompetenz gar nicht so hoch ausgebildet ist.

Anne Lützelberger: Da hat sich mittlerweile auch in der Szene schon durchgesetzt, dass man sagt: Das war ein guter Versuch der Umschreibung eines Begriffs für eine Generation oder der nachfolgenden Generation, aber es hat sich ja auch herausgestellt, dass das im Prinzip nicht so ist. Also eigentlich gibt es keine Digital Natives und wird es auch nie geben, wenn man davon ausgeht, dass auch die Zukunft immer aus einer analogen und einer digitalen Realität besteht. Es wird jetzt sehr philosophisch, aber ich bin da voll von überzeugt. Dann werden wir nicht als Mensch hineingeboren oder Eingeborener der Digitalität sein, deswegen gibt es die nicht, dementsprechend gibt es auch nicht die Digital Immigrants, die dann immer jetzt irgendwie da floskelhaft sagen: Oh, ich weiß gar nicht, wie das geht, ich als Digital Immigrant. Ich habe das auch schon irgendwie an der einen oder anderen Stelle so benutzt und mich dann davon quasi so distanziert, bis ich gelernt habe, dass die Digital-Native-Generation – in Anführungsstrichen – ja ab Anfang der Achtziger definiert wird, tatsächlich. Dann würde ich dazugehören, dich bin jetzt 37. Dieses Konzept, ich glaube, man sollte wirklich darauf achten, dass man das auch nicht mehr benutzt. Und Studien zeigen ja auch ganz klar, da gab es frisch jetzt wieder ein Ergebnis, dass die Generation eben nicht fitter ist. Also sowohl die harten als auch die soften Kompetenzen, die wir Digitalität zuschreiben, besitzt diese Generation nicht mehr als unsere oder die noch darüberliegenden Generationen.

Simone Höfer: Sie haben nur weniger Berührungsängste mit der Technik.

Anne Lützelberger: Genau.

Simone Höfer: Also sie benutzen das so ganz selbstverständlich. Das ist wahrscheinlich so der Unterschied, aber sie wissen eigentlich nur, dass man es da anmacht und so benutzt, aber ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass ich manchmal mehr weiß darüber, wie ein Computer aufgebaut ist, obwohl ich jetzt nicht viel Ahnung von Informatik habe als die Jugend von heute, weil ich das noch entsprechend gelernt habe, aber …

Anne Lützelberger: Ja. Und es zählen ja viel mehr Kompetenzen eben mit dazu, die sich sowieso nicht so einfach fassen lassen. Dementsprechend auch gar nicht so einfach ausbilden lassen. Und wenn man da die vier K, die ewig bemühten noch mit reinnimmt, auch die bringt keiner als Native qua Geburt, qua Generationenzugehörigkeit mit.

Simone Höfer: Wer sind denn die vier K? Jetzt muss ich mich outen. Vier K?

Anne Lützelberger: Das sind die … Man sagt so sozusagen die Kompetenzen, die der Mensch in der Zukunft braucht.

Kolja Brandtstedt: Kommunikation, Kollaboration.

Anne Lützelberger: Genau. Kritisches Denken.

Simone Höfer: Ich dachte jetzt, das ist auch eine Bezeichnung wie die Generation Y oder so, weil das ist ja falsch.

Anne Lützelberger: Ich meine, dass das von Andreas Schleicher mal eingeführt wurde, zu mindestens für die Bildungsbranche. Und mittlerweile ist das ein

Kolja Brandtstedt: Erweitert. Das hat man erweitert.

Anne Lützelberger: geflügeltes Wort, es ist aber erweitert. Genau.

Kolja Brandtstedt: Also die Kompetenzen des 21. Jahrhunderts sozusagen: Was braucht man da alles? Und da spielen viele softe Themen auch eine Rolle, aber natürlich sind, also wenn man über die Kultur der Digitalität auch von Axel Krommer zum Beispiel mitbegründet, oder er nennt das immer. Und das ist natürlich ein Thema, das greift viele verschiedene Facetten … greifen da ineinander. Und was das spannende, glaube ich, wenn wir über Digitalität und Kulturwandel und so sprechen, ist, dass wir ganz neue Ziele eigentlich mit technischen Möglichkeiten erreichen können und wenn ich mir überlege, dass sich damals über Australien etwas gelernt habe, dann war das meistens aus einem Buch und irgendwie dann ein Arbeitsblatt oder so oder vielleicht mal eine Karte herausgeholt worden ist. Wer neumodisch war, hatte einen Overheadprojektor oder vielleicht auch noch sogar schon einen Beamer damals, aber da ist nicht viel passiert. Heute, mit Internet in Schulen können Skype-Gespräche mit Klassen in Australien … Es können gemeinsam kollaborativ an einem Dokument eine gemeinsame Aufgabe sozusagen gelöst werden. Und man kann mit Virtual Reality oder Augmented Reality nach Australien reisen und das finde ich superspannend. Auch gerade, wenn wir über die Schülerinnen und Schüler sprechen, die sozial schwächer sind. Weil ich hatte ganz viele Schülerinnen und Schüler bei mir in der Klasse, die würden niemals oder werden auch in ihrem Leben wahrscheinlich niemals Australien bereisen. Aber ich habe jetzt die Möglichkeit mit ihnen gemeinsam diesen Kontinent auch wirklich emotional erfahrbar zu machen, und nicht nur auf einem Blatt Papier ihnen mal zu zeigen: Ah, die Städte gibt es. Das ist so umrissen ungefähr. Da kann man ganz gut Urlaub machen. Sondern auch wirklich mal in die Tiefe zu gehen und Sachen erfahrbar zu machen. Das finde ich spannend. Und da müssen wir hin, dass wir … Gesellschaftliche Teilhabe ist zukünftig auch digitale Teilhabe. Das heißt, wenn wir unsere Schülerinnen und Schüler nicht auf eine digitale Welt vorbereiten, werden sie gesellschaftlich abgehängt. Das zeigt die Studie jetzt wieder von Frau Eickelmann, also die deutsche Studie von Frau Eickelmann von der ICILS. Das haben andere Studien schon gezeigt und das zeigt ja auch die Forsa-Umfrage, dass, wenn wir nicht die Lehrkräfte dazu befähigen, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, digital teilzuhaben an unserer Gesellschaft, dann bekommen wir wirklich gesamtgesellschaftlich ein großes Problem.

Michael Sonnabend: Wohl war. Vielleicht noch mal abschließend zu dem Thema „Digital Natives“, es gibt ja diese schöne Geschichte, ich weiß nicht, ob ihr die kennt, wo der Nachwuchs zum Vater oder zur Mutter sagt: Hör mal, wenn ihr früher gar keine Computer und Handys hattet, wie seid ihr da eigentlich ins Internet gekommen?

Anne Lützelberger: Ja, genau.

Michael Sonnabend: Finde ich nach wie vor eine großartige Frage und beantwortet gleichzeitig

Anne Lützelberger: Ja, absolut.

Michael Sonnabend: so viele andere Fragen, die man da haben könnte.

Anne Lützelberger: Absolut.

Michael Sonnabend: Vielleicht abschließend noch mal ein bisschen die Kurve kriegen, zu diesem Beratungsaspekt in dem Programm. Also du bist ja heute hier als jemand, der diesen Beratungsaspekt so ein bisschen abdeckt. Was macht ihr da? Also ihr geht in die Schulen rein und helft? Aber wobei?

Kolja Brandtstedt: Genau. Wir haben da vier Säulen sozusagen, die wir den Schulen anbieten. Allgemein ist unser Programm immer eingebettet, in den Schulentwicklungsprozess. Und das ist sozusagen auch unser Modul I, wo wir sagen: Das ist ganz, ganz wichtig, dass wir uns regelmäßig mit einer Steuergruppe treffen, mit denen bestimmte Ziele, Meilensteine erarbeiten, die … in Controlling-Gesprächen sozusagen immer wieder zu gucken: Sind die Ziele erreicht worden? Was können wir noch unterstützend für die Schule leisten? Weil was an Schule fehlt, ist auch oft Projektmanagementerfahrung eigentlich. Also manchmal bringen das Lehrkräfte oder Schulleitungen … bringen das von Haus aus irgendwie mit, aber oft sind Lehrkräfte nicht darauf vorbereitet, was so eine Anstrengung noch mal auch in der Schulentwicklung bedeutet. Das heißt, da unterstützen wir, da geben wir Hilfestellungen, wir vernetzen uns mit den Schulträgern vor Ort, wir holen die Informationen, bündeln die und geben die an die Schule weiter. Das sind sehr unterschiedliche Schwerpunkte. Das ist einmal das Thema „Anschaffung von Geräten“, wenn sie jetzt sagen: 15.000 Euro haben wir, wir wollen die ersten Geräte an die Schule holen – dann machen wir so was. Es kann aber auch in der Visionsentwicklung sein, dass wir sagen: O.k., es benötigt, wie in Dresden geschehen, noch eine Vision für die Schule: Wo wollen sie eigentlich hingehen? Das heißt, sie starten gerade erst, dann machen wir so was in diesem Modul. Wir haben das Modul der Medienkonzeptarbeit, das heißt, alle Schulen müssen im Rahmen des Digitalpakts das Medienkonzept vorlegen. Oft an Schulen, wenn sie unter Druck geraten, ist es dann so: Ja, eine Person, die sich vielleicht auch noch mit der IT auskennt, usw. Die schreibt das mal eben an einem Wochenende und dann haben sie ein Konzept, geben das ab, aber das bestimmt dann die nächsten fünf Jahre. Das ist nicht zukunftstragend oder nicht zukunftsfähig. Was wir dann machen, ist, dass wir zum Beispiel jetzt hier in Essen im Impact Hub – das ist ein Co-Working-Space, wo wir auch sitzen – da werden wir jetzt am 14.02. viele Schulen hier aus NRW zusammenrufen, mit Hochschulpartnern, mit Verwaltungspartnern werden wir dort gemeinsam Workshops mit den Schulen machen, dass sie ihr Medienkonzept schon mal anfangen. Sie müssen auch jetzt dieses technisch-pädagogische Einsatzkonzept schreiben. Das heißt, so ein bisschen runtergebrochen auch: Welche Ausstattung brauchen sie? Wie ist das pädagogisch begründet? Da unterstützen wir, mit unserer Expertise und mit den Partnern, die wir vor Ort haben. Dann haben wir das Thema der SchülerInnen-Workshops, das ist … Wie gesagt, wir sagen da immer „SchülerInnen als ExpertInnen“, das heißt, sie gehen später, nach zwei Workshop- oder drei Workshoptagen, je nachdem welchen Schwerpunkt die Schule setzt, gehen dann in die Klassen und unterstützen die Lehrkräfte bei einem digital gestützten Unterricht. Und das sind Themen, wie Kabelkunde, das kann seine Recherche: Wie ist das mit lizenzfreien Bildern? Wie bekomme ich die? Wie baue ich die ein? Das sind kreative Apps, das sind Lernplattformen, verschiedene Sachen, die wir vorstellen, aber es geht da auch viel um Teamarbeit, es geht um Frustrationstoleranz, was wir auch zukünftig immer mehr bei den Schülerinnen und Schülern ausbilden müssen, dass sie auch mal aushalten müssen. Es geht um Interaktion zwischen Lehrkräften und SchülerInnen. Wie kann ich denn einer Lehrkraft etwas empfehlen, ohne dass sie mich komisch anguckt und nicht weiß, worum es geht. Wie vermittle ich das? Und, ich glaube, der größte Teil ist wirklich auch in diesem Programm – das merken wir in anderen Unterstützungsangeboten auch – sind die Lehrkräftefortbildungen. Die werden am meisten gefragt. Das sind entweder pädagogische Ganztage, wo wir mit verschiedenen Referenten Workshops anbieten. Das hatten wir vor Kurzem in Dortmund und da war es so, dass die Lehrkräfte. Es waren 120, 130 Lehrkräfte, die sich sozusagen in verschiedenen Workshops dann fortbilden lassen konnten, und wie sie dann auch weiterarbeiten. Sehr schön war dort auch, dass es ein Offline-Café gab. Das heißt, da wurden sozusagen Polaroidfotos gemacht, mit: „Ich bin nicht im Appstore zu finden“, sondern es ging dann um die Vernetzung innerhalb der Schule, dass auch diese menschliche Komponente da ganz wichtig ist, dass man auch Spaß dabei hat. So. Ganz wichtig. Wir haben aber auch innovativere Coachingansätze, wo wir sozusagen auch mit in den Unterricht reingehen, sie unterstützen, hospitieren lassen, wo wir hinterher noch mal kleine Mikrofortbildungen geben. Und das sind ganz individuelle Bedarfe, die wir da abfragen und dann gemeinsam mit den Schulen planen, weil das ist ganz wichtig, dass wir nicht an den Bedarfen … „Wir haben jetzt X Fortbildungen, eins, zwei, drei, die könnt ihr jetzt buchen und der Rest ist nicht möglich.“, sondern mehr: Wo sind die Bedarfe? Was können wir tun? Und wie können wir vielleicht auch Externe mit dazu holen, damit die noch mal unterstützen. Genau. Das sind die vier Module, mit denen wir in die Schulen gehen.

Anne Lützelberger: Und, wenn ich das noch anfügen darf, so für das allgemeine Programmmanagement: Was die vier Partner vor allen Dingen machen oder auch sind, und das ist in der Konstruktion … fängt das jetzt an, dass das auch Schule macht, und ich würde mir wünschen, dass das noch mehr Schule macht, im engeren Sinne… Die Partner aus der Zivilgesellschaft, die da Expertise haben, mit den Modulen wie beschrieben, haben ja keine Aktien an irgendwas. Das heißt, für Schule, die vielleicht noch sehr vorsichtig auch ist, die es nicht unbedingt gelernt hat, total offen zu sein, für alles, was von außen kommt, kann da von vorneherein schon mal grundsätzlich vertrauen, dass da nichts Doofes passiert, weil es ist keine Vertretung aus der Wirtschaft, die am Ende dann doch nur ein umfassendes LMS verkaufen will, also ein Lernmanagementsystem an die Schule bringen möchte oder was auch immer. Und es ist eben auch keine Vertretung aus der Politik, also kein Vertreter vom Schulträger, der ja gleichzeitig auch immer wieder die Analysen pro Jahr macht: Wie läuft es denn bei euch an der Schule? Und seid ihr noch gut genug im Vergleich zu den anderen Schulen? Sondern es sind wirklich, kann ich sagen, eben intrinsisch motivierte Leute aus der Zivilgesellschaft, die sagen: Wir wollen die Schulen wirklich unterstützen, am Ende für dieses hehre Ziel irgendwie, ja, Bildungsgerechtigkeit zu schaffen, zu gucken, dass wir vorankommen und dass unser Bildungssystem sich bewegt. Und das kann man dann nur punktuell machen, bei so vielen Organisationen. Aber das ist das Besondere eben dieser vier zivilgesellschaftlichen Organisationen. Und im Stifterverband bekomme ich superviele Anfragen von Externen, von kommerziellen Anbietern. Also durch das Programm sind wir da auch einfacher ja auffindbar und bekannt. Und die haben natürlich tolle Angebote und die kann man punktuell auch reinholen. Aber so eine Begleitung über zwei Jahre, wo ein Vertrauen da sein muss, wo vielleicht auch mal, ja, was gemacht wird, was nicht im Rahmenvertrag als Stundenleistung festgehalten wurde. Jetzt haben wir da noch mal eine Dreiviertelstunde telefoniert, ist aber … kost Honorar. Das ist wirklich ein Pfund, was wir da haben, das ist eine super Konstruktion. Das hat es den Schulen, die eben noch nicht so viel kooperieren, total leicht gemacht, sich zu öffnen. Man blättert ja alles hin. Also als Schulleitung bei der Potenzialanalyse zu Beginn mit den Partnern musst du erst mal dich quasi, ja, darstellen, mit all den Defiziten, die du hast. So. Natürlich auch mit dem, was du schon geschafft hast, mit all den Erfolgen, aber letztlich wird ja vor allen Dingen erst mal besprochen: Was haben wir alles noch nicht? Und das machst du mit einer externen Person.

Michael Sonnabend: Da müssen wahrscheinlich viele über ihren Schatten springen.

Anne Lützelberger: Absolut. Absolut. Und auch das macht ja was mit der Rollenveränderung, dass plötzlich ein vorher vielleicht sehr mächtiger Wissensträger, die Schulleitung, die auch mit den eigenen Lehrkräften nicht immer über alle Prozesse gesprochen hat, sich da plötzlich total offenbart und mit einem externen Coach plus Leuten aus der Schule, sich in so einen Prozess begibt, wo man dann auch, ja, natürlich Indikatoren hat, um zu überprüfen, im Jahr usw.: Wie weit sind wir gekommen? Aber viele Punkte sind auch wirklich, ja, in einem oder in zwei Jahren natürlich überhaupt nicht zu überprüfen. Also wir werden, wenn wir jetzt auch über Wirkungsanalyse sprechen und: Was haben wir erreicht und so, da werden wir viel zu berichten haben, was wir erreicht haben. Aber es ist natürlich für so ein komplexes Vorhaben … Also Schulentwicklung auf diese Art anzugehen, bedeutet a), du greifst an vier oder fünf riesigen Themen gleichzeitig an, muss das analysieren, muss das koordinieren, und dann umsetzen. Du willst in Unterrichtsentwicklung, willst die Personalsituation entwickeln, du willst die Schule als Organisation entwickeln. So, das sind … Das steuerst du gleichzeitig und das hat Kolja richtig gesagt, diese Erfahrung mit Projektmanagement ist das ja, diese Steuerung von Prozessen, die parallel ablaufen. Und da ist das, was wir da im Stifterverband mit dem Programm machen, das funktioniert supergut, das ist für die Schulen – das melden die uns auch zurück – einfach nur, dass es das gibt, schon ein ganz großer Schritt gewesen, das zu machen.

Kolja Brandtstedt: Das ist ein Aufbrechen, also ein Aufbrechen auch von alten Strukturen, die sie gewohnt waren. Und auch das Thema der Fehlerkultur, das hatten wir ja gerade, das ist noch nicht so angekommen, Fehler zu machen, daraus zu lernen. Und wir sagen auch immer bei uns, und das ist, glaube ich, bei dem Projekt auch so, das ist ein Impuls, den wir geben. Und wir gucken natürlich immer nach … Wir haben auch einjährige bis dreijährige Programme, wo man einfach die Nachhaltigkeit in den Vordergrund stellen muss: Wie geht es hinterher weiter, ohne die Unterstützung, ohne dieses Netzwerk vielleicht? Vielleicht geht es weiter, aber vielleicht auch nicht. Das muss man sich gewahr sein. Und wie können wir das gut nach dieser Zeit weiterführen? Ist sicherlich eine Herausforderung, aber dieser erste Impuls, dieses erste Aufbrechen, das bringt den Schulen unheimlich viel und da ist es total wichtig, deshalb sollte man da auch Wirtschaftspartner … sollte man immer vorsichtig mit sein, weil die andere Interessen haben als wir. Es ist ein totales Lernen über Beziehungen, auch in der Schulentwicklung. Wenn ich dem Coachingpartner vertraue, dann gehe ich gemeinsame Schritte, dann arbeite ich auch mal eine Stunde mehr, dann nehme ich aus den Gesprächen mehr mit, als wenn mir da ein Wirtschaftspartner gegenübersitzt, vielleicht von einem Verlag oder Ähnlichem. Das ist jetzt gar nicht böse gemeint, aber die haben bestimmte Interessen im Hintergrund und das wissen wir als Person ja auch. Wenn ich woanders, in einem anderen Kontext bin, dann ja …

Simone Höfer: Wie finanziert sich dann die Pacemaker-Initiative?

Kolja Brandtstedt: Genau. Also wir werden gefördert, eben durch solche Programme mit Stiftungen. Wir haben in Düsseldorf auch verschiedenen Wirtschaftspartner, die sozusagen Mittel bereitstellen, gemeinsam mit der IHK Düsseldorf, die gesagt haben: Wir müssen die Schulen fitmachen, für den digitalen Wandel, die Transformation. Und da sind keinerlei Interessen dahinter, die sozusagen weitergegeben werden. Es ist jetzt nicht so, dass auf jedem Schild oder auf jedem Papier stehen die Wirtschaftspartner und hinterher haben die ein Interesse die Schule, die Auszubildenden daher zubekommen, sondern es ist einfach nur ein Unterstützungsangebot. Wir arbeiten aber auch punktuell mit weiteren Stiftungen, die dann auch Einzelschulen vielleicht unterstützen. Und da ist bei uns immer ganz wichtig, dadurch, dass wir EDUCATION Y und Teach First Deutschland sozusagen als Mutterorganisationen haben, das Thema der Bildungsgerechtigkeit. Weil wir gehen an keine Privatschulen oder Gymnasien, wo ein starker Förderverein ist, der uns vielleicht eh schon bezahlen könnte, sondern wirklich in die sozial herausfordernden Umfelder, um die Schulen zu unterstützen. Und das ist, Gott sei Dank, beim Stifterverbandsprojekt genau der Fall, dass da auch ein Großteil der Schulen wirklich auch in sozial herausforderndem Umfeld, jetzt hier zum Beispiel im Essener Norden, das heißt nicht im Essener Süden, sind. Genau.

Michael Sonnabend: Und woher nehmt ihr eure Expertise? Also, ich meine, ihr müsst ja eurerseits immer sozusagen up to date sein und ganz vorne. Was braucht man da für Leute, um so eine Beratung überhaupt anbieten zu können?

Kolja Brandtstedt: Also wir vertrauen natürlich auch auf externe Leute, die wir gut kennen, aber wir sind alle im Bildungsbereich schon über Jahre tätig gewesen, und sind da intrinsisch motiviert, uns auch immer wieder die Themen anzueignen. Wir haben Organisationen im Hintergrund, die seit zehn oder mehr Jahren Schulentwicklung an Schule vorantreiben. Ich jetzt persönlich … Natürlich, ich bin keine ausgebildete pädagogische Fachkraft, ich habe mir das selber angeeignet, und da ist auch das Thema des eben sich im wieder weiterzubilden, immer wieder Informationen zu sammeln, unter anderem auch aus dem Twitter-Lehrerzimmer, aus Gesprächen, aus Konferenzen. Und genau, wir haben natürlich mit Teach First Deutschland zum Beispiel auch Leute, die an Schulen über zwei Jahre waren, sozusagen die Praxis auch wirklich kennen, genauso wie ich. Da sind jetzt bei uns im Team drei Personen, die sozusagen zwei Jahre an Schule gewirkt haben, in einem sozialen Brennpunkt. Und somit sind wir auch für Lehrkräfte, ja, … können wir mit denen eine Sprache sprechen. Wir kennen auch die kleinen Akronyme, die die zum Teil haben. Was ist eine GK? Gesamtkonferenz usw.

Anne Lützelberger: Die SchiLF, die berühmte.

Kolja Brandtstedt: Die SchiLF, genau.

Anne Lützelberger: Die berühmte SchiLF.

Simone Höfer: Was ist die SchiLF?

Anne Lützelberger: Die schulinterne Fortbildung.

Simone Höfer: Ah.

Kolja Brandtstedt: Genau. Dann gibt es die schulexterne Lehrerfortbildung, ScheLF, genau. Da muss man nicht mehr die neue Sprache erlernen, sondern da ist man auf einem Niveau. Genau. Wir haben natürlich auch ganz viele Lehrkräfte, also ich habe ein Netzwerk aufgebaut, an Lehrkräften, die sozusagen schon weit vorangeschritten sind, die wir dann noch als externe Referenten dazu holen für solche SchiLFs, dass wir da auch wirklich … Ja, ich glaube, es brauch halt auch solche Leute. Also Lehrkräfte, die Lehrkräfte fortbilden, weil die können am besten aus ihren Praxiserfahrungen erzählen?

Anne Lützelberger: Und da kann ich noch mal für die anderen Coachingpartner auch sagen, zwei von denen sind auf jeden Fall ganz eng im Schulkontext auch entstanden. Also das Netbased Learning Institute, die Leute, die kommen selber aus der Berufsschulszene. Das sind noch Lehrkräfte, die sogar noch im Job im Moment sind und dann eben diesen e. V. gegründet haben, oder die lange auch in der Lehrkräftefortbildung dann waren. Die fahren so das Konzept von individualisiertem Lernen. Das haben die über, ja, gefühlte 30, 40 Jahre, da hat man noch gar nicht von Digitalisierung gesprochen, schon umgesetzt an Schulen und auch weiterentwickelt und auf dem Schirm. Und das Education Innovation Lab, das sitzt an der Evangelischen Schule in Berlin Mitte, was da im Umfeld von „Schule im Aufbruch“, Margret Rasfeld usw., gegründet wurde, von der Susanne Stövhase. Das hat sozusagen auch den direkten … macht es eben auch leichter für die Schulen, wenn man sagen kann: Ich habe selber auch mal in der Schule und so. Dann ist das auch anders, wie wenn da eben so ein Coach kommt, der vielleicht jetzt aus einer Beratungsagentur kommt. Und bei der AIM-Akademie ist es so, die haben halt diese Akademieerfahrung. Das heißt, die haben einen riesen Durchlauf, ich mag gar nicht sagen, wie viele Lehrkräfte und Schulleitungen pro Jahr die dort in der Akademie durch die Seminare schleusen. Die sind sehr groß, da ist ein großes personelles Potenzial da. Eher für Baden-Württemberg, Bayern, jetzt örtlich. Und auch da ist sozusagen die Expertise von Haus aus gegeben. Und ansonsten sind wir natürlich nicht die mächtigen Wissensträgerinnen, weil wir eben im Sinne von zeitgemäßem Lernen ja dann auch sagen – und das meint dieses lernende Netzwerk – auch die Coachingpartner lernen dazu. Also auch die kommen ja nicht an die Schule und sagen: So. Wir haben jetzt hier unsere vier Module, fertig ist das Konzept und nach zwei Jahren seid ihr die perfekte digitale Schule. Im Gegenteil, man lernt auch gemeinsam. Dafür dienen auch die Netzwerktreffen. Und auch bei den Netzwerktreffen sind Coachingpartner teilweise nur normale Teilnehmer in Workshops und bilden sich da auch fort. Und ich tue das genauso. Also ich als die Programmmanagerin, die irgendwie in Berlin diese 18 Fäden zusammenführt, und guckt, dass wir da am Ende irgendwie auch was zeigen können, was die Öffentlichkeit interessiert und Schulen interessiert und lehrerbildende Hochschulen. Ich bin einem permanenten Lernprozess. Und klar hilft es auch, dass ich eben mal Lehramt studiert habe, und zu mindestens erstes Staatsexamen auch erfolgreich abgeschlossen habe, und mich dieser Berufsgruppe sehr nahe fühle. Und tut aber genauso gut, wenn eben … Ja, und das hat die Pacemaker-Initiative … Ihr habt das ja in euerem Netzwerk … da auch mal Leute an die Schule kommen, die eben aus einer ganz anderen Profession heraus kommen. So.

Kolja Brandtstedt: Ist halt auch spannend, was … Die Coachingpartner befruchten sich halt auch gegenseitig, auch bei diesen Netzwerktreffen. Das heißt, es gibt verschiedene Schwerpunkte, die die setzen, wie du schon sagtest, und das gerade beschrieben hast. Und dass man da auch gut voneinander lernen kann und sich auch austauschen kann, das zeigt wirklich dieses Netzwerk. Das ist echt spitze. Und dann kommen halt noch mal auch Externe zu diesem Netzwerktreffen, wo sich, wie gesagt, wie Anne schon beschrieben hatte, sozusagen noch mal wirklich alle auch miteinander lernen können. Und dieses Miteinander und nicht nur voneinander, und ja.

Michael Sonnabend: Anne, ich glaube, wir müssen im Sinne von Transparenz dann auch noch mal sagen, also das Programm wird getragen vom Stifterverband und Nixdorf Stiftung?

Anne Lützelberger: Ja. Unbedingt.

Michael Sonnabend: Das ist ja ein langjähriger wichtiger Partner des Stifterverbandes. Es gibt aber noch ein paar weitere Förderer des Programms, also die Bildungschancenlotterie, DZ BANK-Stiftung, eine ganze Reihe von Stiftungen, die ich jetzt nicht alle einzeln aufzähle. Evonic Industries ist noch dabei, IFM, das ist so eine Firma hier auch in Essen. Also es gibt ein paar … sozusagen so ein Mix aus Unternehmen, Stiftungen usw., die dieses Programm global fördern.

Anne Lützelberger: Genau. Ein größeres Konsortium, kann man sagen, ist da wirklich zusammengekommen mittlerweile. Eben alles über den Dachstifterverband und Heinz-Nixdorf-Stiftung. Und die Heinz-Nixdorf-Stiftung fördert ja auch die Gesamtinitiative, also auch Schule in der digitalen Welt ist ja eingebettet, in unsere Future-Skills-Initiative. Und da hat sich Nixdorf wirklich engagiert, und war auch bei der Jury zum Beispiel mit dabei. Also da kann man auch sagen, und das spricht auch für die anderen Förderer, sowohl Stiftung als auch Unternehmen, die sind wirklich inhaltlich dran interessiert, was da passiert. Also man kennt es mal ja auch, dass es mal eine Spende und eine CSR-Maßnahme gibt, aber das hat man gemacht und an dem Thema und ich glaube, das ist eben das Thema, was alle betrifft. Entweder hast du Kinder, die gerade in die Schule gehen, oder du wirst noch Kinder haben, die in die Schule gehen, oder du hast in deinem Bekannten- und Freundeskreis unfassbar viele Menschen, die mit Bildung zu tun haben. Das interessiert dich als Mensch grundsätzlich. Und die Förderer, die da mit an Bord sind, die holen sich auch regelmäßig bei uns auch Infos ein: Wie läuft es denn da mit euerem Gymnasium im Ort XY? Was habt denn ihr gemacht im letzten halben Jahr? Die laden auch die Schulen zum Teil ein. Also da gibt es wirklich schöne Beziehungen, auch wieder lokal, in der Region vor Ort, zwischen dem Förderer des Gesamtprogramms oder einer Schule. Also da ist wirklich, so in dem Sinne von: Wir sind ein großes Netzwerk – tatsächlich superviel an Fäden, die da zusammenlaufen. Und es ist auch wirklich eine, ja, aufrichtige Förderung sozusagen. Da gibt es großes Interesse dran und ich bemühe mich da auch Bericht zu erstatten sozusagen, aber eben nicht in diesem klassischen Hierarchieverhältnis, sondern wirklich anhand der Themen, weil das einfach, ja, jeden betrifft. Also, auch jeder von uns hier könnte im Prinzip das Programm mit durchlaufen, und würde unfassbar viel dazulernen, auch wenn man vielleicht jetzt nicht Lehrkraft an einer Schule ist, würde ich fast behaupten. Ja, genau.

Michael Sonnabend: Ja, sehr schön. Wenn ich jetzt hier zuhören würde, als Lehrer an einer Schule oder Schulleiter, die jetzt nicht Teil des Programms sind, würde ich ja wahrscheinlich … Also ich würde dann „Hurra“ schreien und sagen: Da will ich auch mitmachen! Gibt es irgendwie Möglichkeiten, also für Leute, die das jetzt irgendwie hören und sagen: Mensch, toll! Super Initiative. Ich will da auch irgendwie mitmachen. – Was kann man denen raten?

Anne Lützelberger: Also was wir in Aussicht stellen können, ist auf jeden Fall, dass wir unser letztes Netzwerktreffen als öffentliche Abschlusskonferenz machen.

Michael Sonnabend: Das ist doch eine gute Nachricht. Ja.

Anne Lützelberger: Und wenn alles gut läuft, auch als wirklich große Abschlusskonferenz. Ich vermute, wir sind in Berlin, weil wir haben in Berlin begonnen, und werden es in Berlin enden lassen, wo eben nicht nur die 18 Tandems, also die Schulen, die Universitäten, plus die Coachingpartner zeigen: Was haben wir jetzt gemacht? Sondern, wo wir dann auch unser Material auf der digiLL-Plattform launchen werden, zu dem Tag ist dann der große Launch … wo wir aber wirklich eben auch weitere Stakeholder einfach einladen. Wir haben ganz viele Signale bekommen, von Partnerorganisationen, sei es irgendwie das Forum „Bildung, Digitalisierung“ mit dem wir uns einfach grundsätzlich auf Veranstaltungen austauschen, andere Stiftungen, die auch Digitalprogramme mit Schulen machen, weitere, ja, Organisationen, auch kleine, die sich auch super als Coachingpartner geeignet hätten, die vielleicht aber auch eher Mikrothemen besetzen. All die sind eingeladen und die Hochschulen haben da eben auch signalisiert, dass da eben die Lehrkräftebildung an den Hochschulen einfach ein großes Thema spielen wird. Das interessiert dann auch wiederum, ja, andere, vielleicht auch eben die Politik, vielleicht auch andere Hochschulen. Da haben wir jetzt schon viele Anfragen. Darauf kann ich quasi immer verweisen, und sagen: Im Frühjahr 2021 öffnen wir das Netzwerk, sozusagen. Bis dahin wird es erst mal insofern ein geschlossenes Netzwerk bleiben, als dass die natürlich in der jetzt erarbeiteten Vertrautheit wirklich offen an diesen Themen arbeiten können. Ja, und dann wird man sehen, was die Zukunft bringt. Also natürlich irgendwie ist so ein Programm nicht alleine zu stemmen. Da braucht man tatkräftige Unterstützung in jeglicher Hinsicht. Und wenn wir die organisieren und das sieht wohl ganz gut aus auch, wird es da sicherlich auch eine Zukunft haben. Und das Konzept als solches, ist ja jetzt … Wir haben drüber gesprochen, ich habe das jetzt als verbales OER-Material irgendwie in die Welt geblasen. Also ich kann jedem nur raten: Nehmt irgendwie Kohle in die Hand, organisiert euch coole Leute, die was an Schule machen. So. Das können auch Schulen selber. Also ich mache tatsächlich irgendwie so nebenbei – das ist dann so aufgepoppt – durchaus am Telefon auch Beratung. Also gerade die die, die eben anrufen und sagen: Ich will auch dabei sein. Oder die, die sich beworben haben, und nicht genommen wurden. Denen habe ich versucht, schon so zu sagen, welche Organisationen gibt es, die so was möglicherweise fördern. Also natürlich kann sich auch eine Schule an einen der Coachingpartner wenden, und sagen: Ich würde euch gerne beauftragen und dann guckt man vielleicht gemeinsam auch, wo findet man auch dafür die nötige Ressource.

Kolja Brandtstedt: Ja. Spannend wäre noch, wenn … Man kann ja die Schulen einsehen, also die Tandems kann man ja auf der Internetseite sehen. Und im Sinne des Netzwerkes wäre es ja spannend, wenn eine Schule, die Interesse daran hat, also die Schulen, die jetzt zuhören, dass die dann die Schulen ansprechen, die vielleicht in der Region sind, und einfach da voneinander auch noch mal lernen. Das ist sozusagen ein kostenfreies Angebot, was man jetzt sozusagen da stellen kann. Außer man möchte lieber mit Anne Lützelberger telefonieren, und von ihr genau erfahren. Ja.

Anne Lützelberger: Aber das haben wir tatsächlich ja auch im Blick. Das habe ich ganz vergessen. Also, das Unterstützen bei der Gründung von regionalen Verbünden. Also das können wir dann nicht finanziell vielleicht oder mit personeller Tatkraft vor Ort unterstützen, aber in der Beratung können wir das durchaus tun, dann den Schulen zu sagen: Wie könntet ihr das denn anstellen? Was gibt es für Formate? Organisiert doch mal einen Runden Tisch, von allen, die bei euch im Landkreis auch eine Realschule sind – oder so was. Und da könnten unsere Schulen, also die Schulen in der digitalen Welt, da auf jeden Fall eine Rolle spielen.

Michael Sonnabend: Ja, ansonsten kann man ja auch profitieren, von den Transferleistungen, aus den ganzen Projekten.

Anne Lützelberger: Das ist es. Also das ist ein riesen Thema in der Szene, auch aus anderen Projekten. Das ist ja die Frage, die generell uns umtreibt: Wie kann man Transfer gestalten? Wie kann man wirklich Wissenstransfer machen, auch wenn ich nicht teilgenommen habe, auch wenn ich nicht Teil des Prozesses war? Und das ist eine Herausforderung, der wir uns jetzt quasi dann im kommenden Jahr auch stellen. Das nächste Netzwerktreffen wird hier in Essen sein, im Impact Hub, im April. Und da fangen wir sozusagen an, dann schon mal zu sammeln und zusammenzutragen, und müssen gucken: Wie können wir es so aufbereiten, dass es eben doch benutzbar ist, ohne die Unterstützung zu haben. Und da gibt es aber eben auch schon viele Beispiele, wie man es aufbereiten kann.

Michael Sonnabend: Gut. Ansonsten werden wir natürlich alles, über das wir hier gesprochen haben, dann auch noch mal entsprechend in die Show Notes packen, wir werden Links reinpacken, also wer jetzt zuhört und sich für das eine oder andere interessiert, wird da sicherlich dann auch fündig werden. Ansonsten denke ich, kann man euch beide sicherlich ja auch jederzeit irgendwie ansprechen, über die verschiedenen Plattformen.

Anne Lützelberger: Wir sind auffindbar.

Kolja Brandtstedt: Wir sind bei Twitter, wir sind …

Anne Lützelberger: Vor allen Dingen Kolja ist auffindbar,

Kolja Brandtstedt: Über die Homepages.

Anne Lützelberger: über alle Kanäle.

Kolja Brandtstedt: Genau.

Anne Lützelberger: Daueronline.

Michael Sonnabend: So soll es sein.

Anne Lützelberger: Ich nur von Montag bis Freitag. Nein, Quatsch.

Simone Höfer: Von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr.

Kolja Brandtstedt: Du hast doch freitags frei?

Anne Lützelberger: Stimmt, ich habe ja freitags immer frei.

Kolja Brandtstedt: Montags bis donnerstags.

Michael Sonnabend: Freitags kein Twitter.

Kolja Brandtstedt: Ja. Genau

Anne Lützelberger: Nein, wir sind da wirklich offen. Also ansprechen immer gerne.

Michael Sonnabend: Super. Das ist doch mal ein schönes Schlusswort, würde ich sagen. Ich hoffe, wir haben nichts vergessen, ansonsten müssen wir uns halt noch mal treffen, demnächst, und weiterreden. Also ich hätte jetzt noch viel weitersprechen können,

Anne Lützelberger: Ich glaube, wir auch.

Michael Sonnabend: spannende Themen. Hat riesig Spaß gemacht. Vielen Dank dafür.

Kolja Brandtstedt: Vielen Dank euch.

Michael Sonnabend: Vielen Dank und viel Glück auch vor allem, für das weitere Programm und wir werden das eng verfolgen und, ja, mal schauen, wo es hingeht. Vielen Dank.

Anne Lützelberger: Danke, dass wir hier sein durften.

Kolja Brandtstedt: Vielen Dank.

Anne Lützelberger: Tschüs.

Simone Höfer: Tschüs.

Kolja Brandtstedt: Tschüs.